piwik no script img

Archiv-Artikel

Maulkorb für Vitamin-Guru

Südafrikanisches Gericht verurteilt den deutschen Arzt Matthias Rath und seine „Health Foundation“. Der umstrittene Mediziner hatte Aidsaktivisten als Lobby der Pharmaindustrie denunziert, die seine strittige Vitamintherapie stoppen wollen

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Der umstrittene deutsche Arzt Matthias Rath darf nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes in Kapstadt nicht mehr öffentlich behaupten, die Aids-Lobbygruppe „Treatment Action Campaign“ (TAC) diene als Fassade und Propagandamaschine für Pharmahersteller. Die südafrikanischen Aidsaktivisten waren vor acht Monaten vor Gericht gezogen, um gegen Rath wegen übler Nachrede vorzugehen. Gestern erhielt die Gruppe Recht: „Es war ein minimaler, aber wichtiger Sieg für uns“, sagte TAC-Vorsitzender Zackie Achmat. Doktor Rath und die von ihm gegründete „Dr. Rath Health Foundation“ befürworten in Südafrika den Einsatz von Nahrungsergänzungen und Vitaminen als alternative Therapie für Menschen mit einer Aids- oder einer HIV-Infektion.

Die Organisation TAC will nun in einem zweiten Verfahren Südafrikas Gesundheitsministerin vor Gericht anklagen und damit erreichen, dass der deutsche Arzt die Abgabe seiner Multivitamine einstellen muss. Zehn Todesfälle in den Schwarzensiedlungen um Kapstadt führt TAC auf die Einnahme von Raths Vitamincocktail zurück.

Aidskranke in den Townships Kayhelitsha und Gugulethu nehmen die Multivitamine, die von der Matthias-Rath-Stiftung dort umsonst mit der Zusage auf eine erfolgreiche Behandlung angeboten werden. Sie nehmen angeblich auch an ungenehmigten klinischen Experimenten teil.

Rath behauptete in einer breit angelegten öffentlichen Kampagne, die Gruppe TAC erhalte Geld von pharmazeutischen Unternehmen im Gegenzug dafür, dass sie sich für die Ausgabe von Medikamente stark mache. Diesen Vorwurf weist TAC entschieden zurück.

Die Aidslobbyisten, die vor fünf Jahren die Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang per Gericht zur Zulassung und Ausgabe von Anti-Aids-Medikamenten in Südafrika zwangen, sind trotz des gestrigen Sieges im Gerichtssaal verärgert: „Wir verschwenden Zeit mit Prozessen. Stattdessen sollte die Ministerin Matthias Rath mit seinen unlauteren Aktivitäten stoppen“, sagte TAC-Chef Achmat. Sie habe bisher – nach einem Jahr fruchtloser Gespräche zwischen TAC und dem Ministerium – keine Schritte unternommen, Raths Aktionen zu unterbinden. Im Gegenteil: Die Ministerin betont öffentlich gern die Wichtigkeit von Multivitaminen für Aidskranke. Anti-Aids-Medikamente hätten dagegen starke Nebenwirkungen. Ähnlich argumentiert die Rath-Stiftung, die behauptet, ohne Nebenwirkungen die Krankheitssymptome beseitigen zu können. Diese Medikamente werden außerhalb Südafrikas von der Stiftung international vermarktet – und dort haben sie ihren Preis.