: Das Schweigen nach der Pleite
DOKU „Verzockt, verloren, verstaatlicht – was kostet uns die Hypo Real Estate?“ (0.35 Uhr, ZDF) nimmt sich Zeit für Zusammenhänge, die bislang kaum ausgeleuchtet wurden
VON DANIEL BOUHS
Michael Haselrieder und Karl Hinterleitner hatten es nicht leicht. Die Journalisten, die für das ZDF in Bayern Wirtschaftsthemen recherchieren, nahmen es mit der größten Bankenpleite der deutschen Geschichte auf: der nur mit Milliardenbürgschaften vor dem Kollaps geretteten Hypo Real Estate (HRE).
Haselrieder sagt, diese Branche sei „relativ verschworen“. Jedenfalls hätten sie lange bohren müssen, bis ein paar Mitwirkende des Desasters mit ihnen zu reden bereit waren, darunter eine Angestellte, die offenbar nicht direkt im Management mitwurstelte, und einer, der aus dem Innersten der Bank heraus verfolgte, „wie aus einem soliden Geldhaus ein Casino wurde“. Bei den Vorständen blitzten die Journalisten indes ab, auch bei den aktuellen, obwohl die vor allem von Steuergeldern zehren.
Diesen Wolfgang B. aus dem ehemaligen HRE-Zirkel gewonnen zu haben, ist gewiss eine Leistung. Und B. hat hat als einer von wenigen, die Reue zeigen, viel zu erzählen. „Es gab nur eine Richtung: immer höher, immer schneller, immer weiter“, sagt der Bankier im Film. „Den Überblick über die Geschäfte hatte am Ende keiner mehr.“
Das wahre Verdienst aber ist, dass sich das ZDF mit dem Film Zeit für Zusammenhänge nimmt, die in der Berichterstattung rund um die Enteignung im Herbst auf der Strecke blieben. Etwa, dass die HRE für ihre Mutter, die HypoVereinsbank, „von Hause aus eine Bad Bank war“, wie ein anderer Beteiligter erklärt. Er skizziert, wie man füreinander heikle Anleihen übernahm, Risiken hin und her schob. Der Mann muss es wissen, hat er doch Kunden überteuerte Immobilien angedreht.
Einen der Geprellten besuchten die Reporter wie auch einen Rentner, der sein Vermögen in das Unternehmen pumpte. Gut 100.000 Euro seien das gewesen, die ihm letztlich vom Staat genommen wurden. Er fühle sich verraten, von den falschen Prognosen des Managements, die Haselrieder und Hinterleitner so präzise nachzeichnen, dass der Eindruck bleibt, hier sei etwas mit Vorsatz versaut wurden.
Bloß taugt dieses Opfer leider kaum als Prototyp der HRE-Leidenden. Der Mann baute auf ein einziges Investment. Ist er damit nicht auch ein Stück weit selbst schuld an seiner Situation? „Das kann man so sehen“, sagt Haselrieder. Dieser Fehlgriff nimmt seinem Film ein wenig die Dramatik. Brisant bleibt er dennoch.
Wirklich schade ist hingegen dies: Der Film thematisiert, dass das Enteignungsgesetz nicht vom Finanzministerium entworfen wurde, sondern von einer Kanzlei, die einst selbst HRE-Mandant war. Und wenngleich der damalige Finanzminister Peer Steinbrück in dem 30-Minüter zu Wort kommt, äußert er sich dabei nicht zu diesem skandalösen Komplex. Denn die Reporter haben erst das Interview geführt und dann von der Auftragsarbeit erfahren. Weitere Gespräche lehnte Steinbrück ab. Doch wen wundert das schon?
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