: Ratlos rutscht Hertha nach unten
Hertha BSC verliert im eigenen Stadion mit 2:4 gegen den Tabellenletzten aus Köln. Nach 13 Spielen ohne Sieg weiß Trainer Götz nicht mehr weiter. Die Fans machen Manager Hoeneß verantwortlich
VON ANDREAS RÜTTENAUER
Es war eine schreckliche Woche für Arne Friedrich. Am Mittwoch war er einer der hilflos wirkenden Abwehrspieler, die beim Spiel der Nationalmannschaft in Italien regelmäßig regelrecht vorgeführt worden waren. Am Samstag hat der Kapitän von Hertha BSC schon wieder mitansehen müssen, wie eine Mannschaft, in deren Verteidigung er für Sicherheit sorgen soll, vier Tore kassiert hat. Mit 2:4 haben die Berliner verloren – gegen den Tabellenletzten 1. FC Köln. Nein, es läuft nicht gut für Arne Friedrich derzeit. Und er weiß das auch: „Vier Gegentore, das ist desolat.“ Während viele bei Hertha immer noch glauben, das Schicksal habe sich gegen den Club verschworen, sucht Friedrich die Erklärung für die Krise in der Leistung der Mannschaft.
Falko Götz ist dagegen völlig ratlos. Beinahe weinend beantwortete Herthas Trainer nach dem Spiel die Fragen der Journalisten. „Es ist unfassbar“, haderte er mit nicht gerade fester Stimme. Er könne nicht mehr verstehen, warum bei Hertha die Bälle an den Pfosten knallten, statt im Tor zu landen. Ein verzweifelter Mann saß da auf dem Podium, der nicht in der Lage war, den Kopf zu heben. Es herrschte eine beklemmende Stimmung in den Katakomben des Stadions. Die Frage, ob das Götz’ letzte Partie als Trainer gewesen sein könnte, traute sich lange niemand zu stellen. „Ich glaube nicht, dass das mein Schicksalspiel war“, sagte Götz schließlich noch – und: „Das alles geht mir sehr nahe.“ Dann schlich er von hinnen. Ein rätselhafter Auftritt.
Sind es wirklich nur höhere Mächte, die einen Hertha-Erfolg derzeit verhindern? Sicher ist es Pech, wenn ein Spieler wie Kevin Boateng in einem Spiel mit zwei fulminanten Fernschüssen jeweils nur den Pfosten trifft. Ja, die Berliner waren lange Zeit überlegen, spielten sich eine halbe Stunde lang ganz ansehnlich bis zum gegenerischen Strafraum durch und kamen auch zu diversen Chancen.
Gut, die Kölner Führung durch Lukas Podolski traf die Berliner beinahe wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Aber ganz unschuldig ist die Mannschaft an den vier Kölner Treffern nun wahrlich nicht gewesen. Das Hadern mit dem Fußballgott steht einem Team schlecht zu Gesicht, das es versäumt, sich um die Defensive zu kümmern. Einem Spieler wie Kölns Kapitän Lukas Podolski genau so viel Platz zu lassen, wie der braucht, um sich aus seiner persönlichen Krise zu schießen, das zeugt durchaus von Unvermögen. Zwei Tore schoss der Bubistar des deutschen Fußballs selbst, eines bereitete er vor – und bei allen drei Aktionen konnte er von Gegenspielern beinahe völlig unbehelligt agieren.
Die Leistung der Abwehr erinnerte an die Saison vor zwei Jahren. Damals stellten sich die Spieler regelmäßig brav auf ihre Positionen, sobald aber ein Gegenspieler oder gar der Ball auftauchte, reagierten sie zu spät, falsch oder gar nicht. Damals stand das Team im Abstiegskampf. Das Auseinanderfallen der Ordnung wurde nicht selten mit dem schier übermenschlichen Druck begründet, der auf der Mannschaft gelastet habe.
Ein ähnlicher Druck baut sich derzeit wieder auf. Vor drei Wochen standen die Berliner noch auf Platz fünf der Tabelle. Das Erreichen eines Europapokalwettbewerbs war Saisonziel. Mittlerweile haben sich viele bei Hertha das Klassement genauer angesehen und festgestellt, dass das Team erst 30 Punkte erreicht hat. Zum Klassenerhalt reicht das nicht. Ein paar Punkte müssen schon noch gewonnen werden in dieser Saison.
Das trauen viele Fans ihrer Mannschaft offenbar nicht mehr zu. Aus Protest über die mageren Leistungen der letzten Wochen kamen etwa 8.000 Anhänger mit 15-minütiger Verspätung in den Fanblock. Sie brüllten „Hoeneß raus!“ Der Hertha-Manager ist der Sündenbock der Kurvenfans. Etliche von ihnen versuchten Dieter Hoeneß nach dem Spiel persönlich zu stellen und belagerten die Eingänge zum VIP-Bereich, bis sie von der Polizei in ihren Block zurückgetrieben wurden. Dort verharrten viele noch lange Zeit. Ratlos und niedergeschlagen. Wie Falko Götz. Wie Arne Friedrich.