: Obama hätschelt Mittelschicht
SOZIALES Der US-Präsident beklagt in einer wirtschaftspolitischen Grundsatzrede die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Mehr Jobs für Durchschnittsbürger
US-PRÄSIDENT OBAMA
AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM
Mit mehr sozialer Gerechtigkeit will US-Präsident Barack Obama die angeschlagene Wirtschaft seines Landes ankurbeln. In einer wirtschaftspolitischen Grundsatzrede betonte Obama am Mittwochabend sein bereits seit Jahren erklärtes Ziel, die Mittelschicht als wichtigster Pfeiler der größten Volkswirtschaft der Welt zu stärken. „Die wachsende Ungleichheit ist nicht nur moralisch falsch, sie ist schlechtes Wirtschaften“, rief Obama unter tosendem Beifall im Knox College von Galesburg im Bundesstaat Illinois. „Diese Ungleichheit zurückzudrehen, muss Washingtons oberste Priorität sein.“ Obamas zweite Amtszeit dauert noch bis zum Herbst 2016.
Wenn es der Mittelschicht schlecht gehe, wirke sich das negativ auf den Konsum und damit auf die Unternehmen aus. Nahezu alle Einkommenszuwächse der vergangenen zehn Jahre seien dem wohlhabendsten einen Prozent der Amerikaner zugutegekommen, beklagte Obama. „Ein durchschnittlicher Vorstandschef hat seine Verdienste seit 2009 um 40 Prozent aufgebessert, der durchschnittliche Amerikaner verdient heute weniger als 1999.“ Außerdem gäben viele Firmen Langzeitarbeitslosen keine Chance. „Kein Vollzeitbeschäftigter darf in Armut leben“, betonte Obama. Die Mindestlöhne müssten steigen. Dass die soziale Durchlässigkeit schlecht sei, sei „Betrug an der amerikanischen Idee“.
In der rund eine Stunde langen Rede wiederholte der Präsident seine wirtschaftlichen Prioritäten für die kommenden gut drei Jahre: Neben mehr Jobs für die Mittelschicht gehe es vor allem darum, jungen Menschen eine gute Ausbildung zu bieten. Zudem will er durch neue Finanzierungsmodelle garantieren, dass die US-Bürger ihre Häuser leichter abzahlen können.
An dem Ort, an dem Obama 2005 als junger Senator seine erste wirtschaftspolitische Grundsatzrede gehalten hatte, lobte er am Mittwoch seine Regierung. Er habe die Autoindustrie gerettet, die Bankenkontrolle eingeführt, die USA seien heute unabhängiger im Energiesektor, zum Teil durch regenerative Technologien, aber auch Gas.
Obamas Rede läutete das Ringen um den US-Haushalt im kommenden Herbst ein. Angeblich haben die Republikaner bereits angekündigt, dass sie die Verhandlungen scheitern lassen wollen. Dann droht der Regierung die Handlungsunfähigkeit. Durch den andauernden Etatstreit blockieren bereits seit März drastische Ausgabensperren zahlreiche Bereiche des öffentlichen Dienstes, inklusive der Armee.
Der konservative Sprecher des Parlaments, John Boehner, erklärte Obamas Rede zu einer leeren Hülle. „Das ist ein Osterei ohne Schokolade“, höhnte er. Der republikanische Minderheitenführer im Senat, Mitch McConnell, wertete Obamas Rede als parteipolitische Rhetorikübung. „Wir haben das alles schon gehört“, erklärte er bereits vor Obamas Auftritt.
Doch der Präsident hatte gar nichts anderes angekündigt. Seine Rede enthalte keine neuen Ideen, sagte Obama. Die werde er demnächst bei weiteren Ansprachen präsentieren.
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