piwik no script img

Archiv-Artikel

Kratzen für den Doktortitel

HIP-HOP Der Scratchkönig Grandmaster Flash aus den USA bekommt in der Naunynritze die Ehrenwürde der Street University verliehen. Mittendrin und überall: die Medien. Der Ausgezeichnete verzieht keine Miene

Eine Legende aus den Staaten, umringt von 100 Fotografen und 10 Kids

VON PHILIPP GOLL

Von draußen hört es sich an wie erwartet. Beats sickern durch die Tür, Scratches fauchen gegen die Scheiben. Drinnen ist es aber doch etwas anders. Im Clubraum der Naunynritze, dem Jugendzentrum in Kreuzberg 36, werden sorgfältig Chipstüten in Pappschalen entleert und Colaflaschen aufgestellt. Ein paar Tische, ein paar Kids, Pingpong-Ploppen aus dem Nebenraum, ein DJ an den Turntables. Lediglich ein paar verlorene Luftschlangen an der Decke und die Diskokugel im sonst leeren Raum vor dem DJ bewegen sich, vielleicht auch nur im Luftzug.

Wo ist die Crowd? Dabei ist doch der Pionier des HipHop, Übervater des Turntableism, der Scratchkönig Grandmaster Flash aus dem heiligen Land des HipHop, den USA angekündigt worden. Sollte ihm heute nicht der Ehrendoktor der Street University Berlin, eines sozialen Projekts, in dem Jugendliche sich nach ihrem tagtäglichen Schul- und Ausbildungsprogramm mit Kunst und Politik befassen, verliehen werden?

Ah, das ZDF ist da, höre ich, klar. Grandmaster Flash ist oben, eine Etage höher, und gibt dort ein Interview. Hinauf also. An den Graffiti im Treppenhaus vorbei; auch an den Bänken im Gang, auf denen Mädchen und Jungs sitzen, vorbei und hinein in einen Raum, der wohl eine Art Studio ist. Oh, da sitzt er ja, umgeben von etwa 100 Fotografen und 10 Kids. Die Kappe tief im Gesicht, schwarze Lederbomberjacke, blaue Jeans und schneeweiße Nikes. Aha, so sieht also der Grandmaster in echt aus.

Im Blitzlichtgewitter gibt er auf einer Couch Autogramme. Alle Englischkenntnisse werden mobilisiert, um dann doch noch eine den ganzen Tag vorbereitete Frage zu stellen. „Is 50 Cent your friend?“, lautet die Fan-Frage. „Yes but he’s so crazy“, heißt die Grandmaster-Antwort. Die nächste, bitte: „How do you find the Street University Berlin“, fragt eine Kollegin und hält ihm ein Aufnahmegerät unter die Nase. „By taxi, no problem“, antwortet er und rückt seine Basecap tiefer ins Gesicht. Die Reporterin merkt, dass da etwas schiefläuft, und hakt noch mal genauer nach. Wie er denn die Idee der Street University so finde, fragt sie. „Ich denke, dass es cool ist, dass es so einen Ort gibt, zu dem die Leute kommen können, um sich zu treffen.“ Und ob er sich geehrt fühle, den Ehrendoktortitel der Street University überreicht zu bekommen? Kurze Pause: „Natürlich, und in so einem Moment merke ich, dass das, was ich tue, etwas bedeutet für die Leute da draußen und dass meine Arbeit positiven Einfluss hat.“

Abgespeichert, das wäre im Kasten. Jetzt bekommt der Meister noch eine kurze Hausführung. Wieder zurück durch den Flur, vorneweg und hintendrein Kameras und Mikrofone und die dazugehörigen Menschen. Im nächsten Raum darf er eine Tanzperformance begutachten. Sichtlich konzentriert folgen die Körper den Anweisungen aus der hörbar übersteuerten Anlage. Grandmaster Flash verfolgt das alles sehr kritisch, verzieht keine Miene bis zum Schluss.

Dann geht’s wieder runter in den Clubraum. Doch die Crowd ist immer noch nicht da. Und auch als sich alle vor der Bühne versammeln, ragen immer noch mehr Mikrofone und Kamerastative in die Luft als Arme und Hände der Rap-Gemeinde. Doch bevor es zur Übergabe kommen kann, gibt es noch eine kurze Einlage des Beatboxdozenten der Street University, volles HipHop-Programm eben: Hmbpff, empffff – hmbpff, embpfff. Und dann geht alles sehr schnell. Schon hält der weltbekannte DJ einen kleinen blauen Bilderrahmen mit der Urkunde in der Hand: „Streetmaster honoris causa“ für kulturelles Lebenswerk und Engagement in der Jugendförderung. Blitzlichtgewitter.

Neben mir steht jetzt Drrob, Rapper und Student an der Street University: „Der hat nicht vergessen, wo er herkommt, cool, dass der hier ist“, sagt er und „Man, der ist Oldschool in Gestalt!“ Danke, Drrob, und einen guten Start ins Sommersemester 2010. Zurück ins Studio.