: Knallhart auf dem Lande
Detlev Buck hat seinen neuen Film „Knallhart“ auf den Straßen von Neukölln gedreht. Doch Neukölln ist überall, sagt der Regisseur. Auch im schleswig-holsteinischen Bargteheide. Seine drei Töchter gehen dort zur Schule. Und besuchen eine Theatergruppe, aus der sie ihrem Vater den Hauptdarsteller seines neuen Films vermittelten
Ein Interview mit Detlev Buck (43) läuft folgendermaßen ab: Der Starregisseur kaut genüsslich an Schweinesteak und Salzkartoffeln und nuschelt norddeutsch einsilbige Antworten. Bei Nachfragen wird er dann gesprächiger. Nach sechs Jahren Pause hat Buck wieder bei einem Kinofilm Regie geführt. „Knallhart“ erzählt die Geschichte des Jungen Michael Polischka (David Kross), der mit seiner Mutter (gespielt von Jenny Elvers-Elbertzhagen) aus dem feinen Zehlendorf in den Problembezirk Neukölln kommt. Der Film läuft ab morgen im Kino.
taz: „Knallhart“ zeigt einem sehr viel von Neukölln. Wie haben Sie recherchiert?
Ich kenne Neukölln ganz gut. Vor dem Dreh bin ich viel durch den Bezirk gelaufen und habe rumgeguckt. Das mache ich gerne, um mir über Sachen klar zu werden. Der Kameramann Kolja Brandt ist in Kreuzberg groß geworden. Er kennt in Neukölln alle Ecken. Deswegen gibt es auch keine Klischeedinge in dem Film.
Sie inszenieren nicht nach Schlagworten wie „Zwangsehe“ oder „Parallelgesellschaft“. Sondern das ägyptische Mädchen, das sich in Polischka verliebt, sagt: „Ich kann dich aber nicht mit hochnehmen.“ Und das Schlimmste, was der Drogendealer Hamal über den Schläger Erol sagt, ist: „Seine eigenen Leute wollen nichts mehr von ihm wissen.“
Er sagt: „Sein eigener Vater spuckt auf ihn.“
Da ist alles drin. Wenn da ein vierjähriger Junge im Macho-Gang über die Straße läuft...
Der war sechs. Wir haben zehn Jungs gecastet, bis wir den richtigen hatten.
Dieser ganze Kleinkram ...
Zusammengenommen wird der Kleinkram eben der Großkram. Toll formuliert, was? Mich hat das fasziniert, das alles zu lernen. Dass man Arabern bei der Begrüßung nicht die Hand gibt, dass es eine Beleidigung ist, die Schuhe an der Tür nicht auszuziehen. Ich bin natürlich in die Schulen gegangen, getarnt als Pisa-Beobachter. Da gehen Sachen ab, darüber schreibt ja auch kein Journalist. Wie die aus x Nationen zusammengewürfelt miteinander umgehen. Da gibt es keine Parallelgesellschaft, das geht alles durcheinander und miteinander.
Die Gewalt unter Jugendlichen gibt es ja nicht nur in Berlin-Neukölln, sondern auch in anderen Großstädten.
Und in Kleinstädten auch. David Kross ist aus Bargteheide in Schleswig-Holstein, da habe ich auch Abitur gemacht. Der kannte vieles. Auch da gibt es Leute an der Schule, denen man nicht allein in der Stadt begegnen möchte. Schule ist ja ganz wichtig. Das ist für viele, die aus nichtdeutschen Gegenden kommen, oft die einzige Alternative zur Familienstruktur. Die Familien, ob es arabische oder russische oder sonst was sind, schließen sich natürlich in der Fremde enger zusammen. Und in der Schule treffen nun alle aufeinander. Deshalb ist es wahnsinnig wichtig, dass da engagierte Leute sind.
Ist aus dem Landei Buck ein Großstädter geworden?
Natürlich. Ich lebe seit Ewigkeiten in Berlin. Wechsele so durch die Bezirke. Kreuzberg, Mitte, sogar in Lichtenberg war ich mal. Jetzt wohne ich in Tiergarten. Aber ich fahre zweimal die Woche mit dem sehr schönen Zug nach Hamburg und bin dann in Nienwohld auf dem Land. Vor zwei Wochen habe ich noch eine Kalbgeburt mitbekommen ...
Den Hauptdarsteller David Kross hat Ihre 19-jährige Tochter Bernadette auf der Schule in Bargteheide kennen gelernt.
Nicht auf der Schule, in einer Theatergruppe in der Stadt. In Bargteheide gibt es zwei Gymnasien.
Sind Ihre drei Töchter dort auf der Schule, um Berlin zu vermeiden, wo es vielleicht so zugeht wie in „Knallhart“?
Nee. Lisa, meine Freundin, hasst die Stadt.
Warum hat es eigentlich sechs Jahre gedauert, bis Sie wieder Regie geführt haben? Was haben Sie die ganze Zeit gemacht, außer für Leander Haußmann als Schauspieler vor der Kamera zu stehen?
Ich habe doch die ganze Zeit Regie geführt. Ich habe x Werbespots gedreht. Ich habe mich als Produzent betätigt, bei Boje Buck Productions. Das braucht Zeit. Diesen Film zu produzieren, hat fünf Jahre gekostet. „Herr Lehmann“, das ging fix, aber war trotzdem Aufwand. Und dann habe ich geschauspielert.
Dennoch fragte man sich: Wo ist Buck? Hat er ein Kreativitätsloch? „Karniggels“ (1992) und „Wir können auch anders“ (1993) waren Ihre besten Filme.
Mich hat es gelangweilt, als Gesamtkunstwerk betrachtet zu werden. Der Mann vom Lande, der witzige kleine Filme dreht. Das hat den Blick versperrt für alles, was danach kam. Das hat auch keinen mehr interessiert. Was für mich der größte Moment war: Wie die Knackis in Santa Fu [dem Hamburger Gefängnis Fuhlsbüttel, d. Red.] gejohlt haben, nachdem sie meinen Film „Männerpension“ gesehen haben. Weil sie mal einer nicht in diesem kalt-blauen Verbrecherlicht zeigt.
Interview: Jan Sternberg