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Archiv-Artikel

Protest gegen den polnischen Präsidenten

Als Stadtpräsident von Warschau hat sich Lech Kaczyński als Homofeind hervorgetan. Schwule und Lesben wollen deshalb morgen gegen ihn demonstrieren. Denn Berlin ist inzwischen zum Mekka für die polnische Szene geworden

Auch wenn Lech Kaczyński heute und morgen als polnischer Staatspräsident Berlin besucht – zum Objekt der Demonstrationsbegierde wurde er als Exstadtpräsident von Warschau. Zweimal hatte er in der polnischen Hauptstadt die „Parada równośći“, die „Gleichheitsparade“ der Schwulen und Lesben verboten. Eben deshalb ruft der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) zur Kundgebung gegen Kaczyński auf.

Anlass für die Demonstration, die morgen zwischen 12 und 13 Uhr stattfinden wird, ist eine Rede Kaczyńskis in der Humboldt-Universität. Das Thema dieser „Humboldt-Rede“ lautet: „Solidarisches Europa“. LSVD-Sprecherin Renate Rampf meint dazu: „Wer Lesben und Schwulen die wichtigsten politischen Rechte verweigert, verlässt den europäischen Konsens. Dagegen wollen wir protestieren.“

Unter den Teilnehmern der Kundgebung dürfte sich dabei auch der ein oder andere Landsmann Kaczyńskis befinden. Denn Berlin wird mehr und mehr zum Zufluchtsort für Schwule und Lesben aus Polen, berichtet Magdalena Liskowska. „Von den jungen Polen, die als Studenten der Slawistik an die Humboldt-Uni kommen, ist fast jeder dritte homosexuell.“ Liskowska weiß, wovon sie redet: Als Mitarbeiterin in der Studienberatung hat sie mit den Neuankömmlingen zu tun. „Einer kam einmal und schrie: Magda, Magda, endlich kann ich sagen, dass ich schwul bin.“

Berlin als Mekka der polnischen Schwulen und Lesben, das kann auch Tomasz Bączkowski bestätigen. Der 33-Jährige lebt hier seit zehn Jahren und hat die Szene über einen langen Zeitraum beobachten können. „Es sind vor allem junge Lesben und Schwule aus der polnischen Provinz, die nach Berlin kommen“, sagt er. „Zu Hause weiß keiner, dass sie homosexuell leben. Erst in Berlin können sie sich dazu bekennen.“ Bączkowski schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der jungen Polen, die in die Stadt kommen, homosexuell sind.

Anders als viele von ihnen hat sich Tomasz Bączkowski auch vor der Kamera zu seinem Schwulsein bekannt, in einem Beitrag für das deutsch-polnische Magazin „Kowalski trifft Schmidt“. Im RBB wurde der Filmbeitrag „Berlin als Zufluchtsort für polnische Schwule“ gezeigt. Beim Partnersender TVP3 in Wrocław wurde er dagegen aus dem Programm gekippt, bestätigt RBB-Redakteurin Antonia Schmidt. „Die Filme, die in Breslau gezeigt werden, müssen alle in Warschau abgenommen werden. Da passiert es immer wieder, dass Sendungen ohne Angabe von Gründen aus dem Programm genommen werden.“

Für Basil Kerski, den Chefredakteur der deutsch-polnischen Zeitschrift Dialog, ist der Hass auf Lesben und Schwule zu einem großen Problem in Polen geworden. „Das hat als Stereotyp inzwischen den Antisemitismus abgelöst.“ Viele Polen würden die Verpflichtungen, die sich aus dem EU-Beitritt ergeben, überdies als Bedrohung sehen – ähnlich wie beim Bismarck’schen Kulturkampf im Kaiserreich. Kerski will darauf nun reagieren. „In einer der nächsten Nummern des Dialog werden wir das zum Thema machen.“ UWE RADA