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Archiv-Artikel

„Die Frau ist ja so blöd …“

INTERVIEW BASCHA MIKA

taz: Frau Kroetz-Relin, Sie waren die klassische Hausfrau, haben sich um Kinder und Haushalt gekümmert und Franz Xaver Kroetz den Rücken frei gehalten. Das tun Sie heute nicht mehr. Weil Sie klüger geworden sind?

Marie-Theres Kroetz-Relin: Ja, ich habe mich verändert. Früher habe ich diesen Job gerne gemacht: Kinder großziehen, Haushalt, Büroorganisation – das ist ja viel Verantwortung …

die sich aber nicht auszahlt.

Das ist das große Problem. Man muss sich anderweitig Anerkennung verschaffen. Zum Beispiel indem man die perfekte Hausfrau gibt. Das Gehirn ist dann runtergezoomt: Man ist Vollprofi in Homöopathie und Hausmitteln gegen dies und das. Aber man vergisst seine Grundbedürfnisse. Ich wurde krank davon. Sonst hätte ich wahrscheinlich nie kapiert, dass ich unbedingt etwas für mich tun muss.

Das war Ihr persönlicher Ausbruch, den Sie geschickt in eine öffentliche Kampagne und Selbsthilfegruppe überführt haben: die „Hausfrauenrevolution“. Klingt kämpferisch.

Revolution heißt Umwälzung. Also: Nicht nur von der Politik etwas fordern, sondern die Frauen selbst müssen sich ändern.

Haben Sie sich mit der Hausfrauenrevolution nicht nur eine neue Bühne geschaffen – ohne dass Sie politisch oder gesellschaftlich etwas bewegen?

So what? Wer in der Öffentlichkeit steht, sucht Aufmerksamkeit. Ich kann meinen Ausdruck nur finden über meine eigenen Erfahrungen – und dann anderen Frauen eine Plattform geben für das, was sonst kein Schwein druckt. Nachdem wir sechs Millionen Besucher auf unserer Webseite haben, kann die Arbeit so schlecht ja nicht sein.

Obwohl Sie die Situation der Hausfrauen verbessern wollen, doktern Sie doch nur an Symptomen herum.

So einfach ist das nicht. Auf dem Land bekommen Sie keine Krippenplätze. Und wenn, dann müssen Sie die Kinder hinfahren, das Bussystem können Sie vergessen. Und wenn Sie kein Geld haben und kein Auto, dann sitzen Sie da. Aber auch ohne diese Hindernisse geraten Frauen sehr schnell in eine Alltagszwickmühle. Ihr Bewusstsein beschränkt sich dann irgendwann nur noch auf die Kinder. Das Selbstbewusstsein wird weniger. Es ist ein schleichender Prozess, der vor allem mit der finanziellen Abhängigkeit zu tun hat.

Warum gehen Frauen immer wieder in die Hausfrauenfalle?

Am Anfang denkt man, es sei eine faire Arbeitsteilung: Der Mann verdient das Geld, und ich mache schön das Einfamilienhäuschen und die Kinder. Das bekommt aber eine eigene Dynamik: Der Mann meint, weil er derjenige ist, der die Kohle bringt, muss sie den Schnabel halten.

Dagegen ließe sich ja etwas unternehmen.

Nehmen wir zum Beispiel das Ehegattensplitting. Die Steuerersparnis überweist das Finanzamt auf das Konto des Mannes, und das ist schon mal falsch. Die Frau muss so viel Selbstbewusstsein haben, dass sie sagt: Diese Ersparnis, das ist mein Geld.

Der Mann soll ein bisschen Steuerersparnis abtreten? Das ist doch lächerlich. Frauen sollen ihr eigenes Geld verdienen.

Ja sicher, aber in Deutschland haben wir eben eine schlechte Betreuungssituation. Da kann nicht jede in ihrem Beruf arbeiten. Wichtig ist, dass Frauen sich untereinander solidarisieren.

Es wäre doch schon viel gewonnen, wenn der Mann ein Jahr zu Hause bei der Familie bleibt.

Wir leben aber leider noch in einer Männergesellschaft.

Wie sie mit dem Partner lebt, entscheidet jede Frau selbst …

… aber die Frau ist ja so blöd. Sie will die Gute sein und steckt automatisch zurück. Die Frau ist in eine Rolle gepresst seit tausenden von Jahren, die Emanzipation haben wir vierzig Jahre. Die Ur-Instinkte von Nestchenbauen, Kindergroßziehen und so, das hängt tief in den Eierstöcken.

Ihre Argumentation ist doch reinster Biologismus.

Klar, da muss Selbsterkenntnis her. Wir müssten es machen wie in Schweden. Wir müssen uns alle zusammentun, auf der Matte stehen und sagen: Wir wollen eine andere Frauenpolitik. Dann würde sich was bewegen.

Hindert die Opferrolle Frauen daran, in Aktion zu treten?

Nein, ich glaube, der Neid spielt eine viel größere Rolle. Das spüre ich selbst. In dem Moment, wo Frauen eine Art Vorreiterin gefunden haben, wird gleich nach Fehlern gesucht. Statt zu sagen: Jawoll, wir packen das an, entsteht ein ganz blödsinniges Hickhack, ein ewiges Hintenrum-Gerede, ein Gezicke, ein Getue, dadurch kann sich nichts bewegen.

Wenn eine junge Frau beruflich aussteigt und zu Hause bleibt – ist das nicht auch eine Flucht?

Bei mir hat eher eine Art Mutterinstinkt eingesetzt. Ich hatte mit 28 drei Kinder und war erfolgreiche Schauspielerin. Einen Grund zur Flucht hatte ich also nicht. Ich habe mich intensiv um die Kinder gekümmert, jedes Baby wurde eineinhalb Jahre gestillt. Und irgendwann bist du einfach draußen aus dem Job.

Und wieder einzusteigen ist Ihnen nicht gelungen?

Ich wollte zum Beispiel wieder als Schauspielerin arbeiten. Bloß ist man halt nicht sehr beliebt, wenn man drei Kinder hat. Ich habe keine Rollenangebote mehr bekommen. No chance. Dann habe ich angefangen, zu zeichnen, und ein Kinderbuch gemacht. Aber auch damit gab es keine Chance, irgendwo reinzukommen. Erst mit der „Hausfrauenrevolution“ habe ich mir einen Beruf erschaffen. Aus tiefster Not heraus. Ich habe mir meine Bedürfnisse von der Seele runtergeschrieben und damit genau das erreicht, was ich wollte: finanzielle Unabhängigkeit, eine eigene Versicherung, die Scheidung einreichen können und so weiter. Das war eine radikale Veränderung in meinem Leben …

die Sie anderen Frauen auch wünschen.

Ich habe tatsächlich vielen Frauen helfen können. Denn durch die Hausfrauenrevolution haben sie gemerkt: Oha, bei mir stimmt ja wirklich was nicht.

Merken allein ist nur die halbe Miete.

Zur Veränderung braucht man Mut, und der fehlt Frauen oft. Man muss nämlich riskieren, abgelehnt zu werden.

Wenn man Sie so hört, könnte man glauben, es habe keine Frauenbewegung gegeben. Und die Mütter von heute hätten dasselbe Rollenbild wie ihre eigenen Mütter.

Ja, und es wird noch schlimmer. Aus der Erfahrung mit meinem neuen Buch weiß ich: Je jünger die Mütter sind, desto konservativer, desto spießiger, desto stärker ins Mutti-Sein gepresst sind sie. Das ist wie die Flucht in eine heile Welt, ein Selbstbetrug.

Ist das eine Flucht aus Überforderung? Beruf, Ehe, Kinder, Haushalt – Frauen sollen heute alles zugleich hinbekommen.

Auf jeden Fall ist so eine Traditionsrolle etwas Handfestes, eine Art Sicherheitsfaktor, wenn die Existenz ohnehin wackelig wird. Wenn ich mir meinen Rentenbescheid angucke, dann kriege ich von der gesetzlichen Rente 167 Euro im Alter. Sich unentbehrlich zu machen, das ist eine schöne Ersatzhandlung. Man kann sich gut einreden, die Kinder geben mir alles, und mehr brauche ich nicht. Nur, irgendwann reicht das eben doch nicht mehr.

Wenn Frauen also sagen: Meine Kinder und mein Mann brauchen mich ständig …

… dann belügen sie sich selbst. Es geht sehr wohl auch ohne sie, jeder ist ersetzbar. Wir Frauen nehmen den Männern ja gern die Verantwortung ab und beklagen uns dann, wenn er die Spülmaschine nicht richtig einräumt.

Es liegt doch nicht nur an den Frauen, dass Männer keine Hausarbeit machen.

Nein, aber sie müssen die Mitarbeit der Männer einfordern, auch mal auf das Risiko hin, dass sie von der Familie abgelehnt werden. Dann machen sie halt mal ein paar Tage die Wäsche nicht. Ich war auch so. Erst als ich das Buch geschrieben habe, habe ich meinem Mann gesagt: Hier, bitte, du musst kochen und einkaufen – und es ging! Ich dachte, mein Gott, bist du blöd. Das hättest du ja auch vorher schon haben können.

Und warum haben Sie es nicht gemacht?

Aus Angst vor Konflikten und wegen meiner Rolle. Ich dachte, das ist mein Job, er macht ja was anderes. Ich habe mir erst eine Berechtigung suchen müssen: dass ich geschrieben und Geld verdient habe. Was für ein fataler Denkfehler, ich hätte es auch so verlangen müssen.

Und was fordern Sie nun von der Politik?

Ach, das fragen mich viele: Was sind denn Ihre Forderungen mit der Hausfrauenrevolution? Ich sage, bevor ihr euch unter das Dach meiner Forderungen stellt, guckt erst mal, ob euer Fundament eigentlich stimmt. Es ist natürlich immer praktisch, sich einen Schuldigen zu suchen: die Gesellschaft, den Mann, das Kind, das Dings. Wir müssen bei uns selbst anfangen. Das fängt beim Sex an, wo die Frauen zwar jammern, dass das so nicht funktioniert, aber auch nicht sagen, wie sie es gerne hätten. Die Frauen können keifen, aber es gibt wenige, die kämpfen können. Das sollen sie erst mal lernen. Die Forderungen fallen ihnen dann schon ein.