DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Männer bevorzugt
WAS SAGT UNS DAS? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble outet sich: Die Frauenfußball-EM interessiert ihn nicht
Wolfgang Schäuble wirkt im Interview mit der Bild am Sonntag glücklich und zufrieden. Der Finanzminister ruht gerade auf Sylt, bevor demnächst der Wahlkampf tobt. Auf die Frage, wie sein perfekter Urlaubstag aussieht, schildert er das Bild eines idyllischen Familienurlaubs: Schönes Wetter, Bewegung in der Natur, Spielen mit den Enkeln. Tagsüber, während Kinder und Enkel am Strand verweilen, „viel lesen und, da keine WM oder EM ist, kaum Fernsehen“.
Rekordquoten
Die Frauenfußball-EM in Schweden ist an ihm vorbeigezogen. Das Finalspiel, am Sonntag um 16 Uhr – zur besten Zeit während Kinder und Enkelkinder am Strand waren – anscheinend ebenso. Dass die Frauenfußballnationalmannschaft ihren sechsten EM-Titel in Folge und den achten überhaupt erringen konnte, ist ihm sicherlich genauso fremd.
Oder ist seine Antwort ein Statement für „traditionellen“ Männerfußball? Vielleicht hat eine Frauenfußball-EM für einen Christdemokraten nicht denselben Stellenwert wie eine Männermeisterschaft.
Obwohl die Masseneuphorie und die Erwartungshaltung der WM 2011, in der ganz Deutschland von einem zweiten Sommermärchen träumte, bei dieser EM abgeflaut sind, wurden für das Finale der Frauen am Sonntag dennoch Rekordquoten verzeichnet – 8,91 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 45,6 Prozent, verfolgten das Spiel. Schon beim Halbfinale gegen Schweden hatten über 8 Millionen Zuschauer eingeschaltet.
An der Realität vorbei
Ohne Frage, Frauenfußball hat in unserer Gesellschaft leider noch nicht denselben Stellenwert wie Männerfußball – trotz EM-Titel. Doch Schäubles lapidarer Kommentar verfehlt die Realität. Er zeugt von der Ignoranz sehr vieler Menschen, für die Fußball immer noch ein klassischer Männersport ist. ANM