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Archiv-Artikel

EDITH KRESTA ÜBER DIE REGIERUNGSKRISE IN TUNESIEN Tiefe Vertrauenskrise

Der regierenden islamistischen Partei Ennahda geht es an den Kragen, nachdem politische Morde und immer neue gewalttätige Übergriffe radikaler Salafisten auch im Süden Tunesiens tiefe Verunsicherung säen. Die regierenden Islamisten, mögen sie auch noch so moderat daherreden, werden als Trittbrettfahrer des radikalen Terrors gesehen und für die Gewalttaten mit verantwortlich gemacht.

Das Tauziehen von säkularen und islamistischen Kräften – die gegenseitigen Unterstellungen, das Misstrauen, die Angst, die Verschwörungstheorien – blockiert den politischen Wiederaufbau in Tunesien und damit die Arbeit, die für eine Neugestaltung der politischen Landschaft dringend notwendig wäre.

Die Ennahda kann selbst mit der jetzigen Ankündigung von Neuwahlen für den 17. Dezember ihren Kopf nicht mehr aus der Schlinge ziehen. Dabei ist dieses Zugeständnis ein Erfolg der Proteste. Zwar haben viele die Wahlen, die seit Langem ohne konkreten Termin für die Zeit nach Ausarbeitung einer neuen Verfassung geplant waren, herbeigesehnt.

Aber nun will die Opposition den Islamisten nicht die Chance geben, diese für sich zu nutzen, sei es durch Besetzung von Posten, Nutzung von Geldern oder Einfluss. Die regierende Ennahda hat das Vertrauen der säkularen Gesellschaft gründlich verspielt. Alle Oppositionsparteien und die Gewerkschaft fordern einen klaren Schnitt: eine Expertenregierung der nationalen Einheit.

Die vielen sich widerstrebenden gesellschaftlichen Interessen werden darin wohl kaum beseitigt werden. Doch eine solche Regierung hätte die Chance, die wirklichen Probleme anzugehen: die darniederliegende Wirtschaft, die Neuorientierung der Verwaltung, die Korruption oder die Berge von Müll auf den Straßen.

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