ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL
: Dann klappt’s auch mit der Frau

Sie wollen den Urlaub ohne Streit überstehen? Lesen Sie diesen Text

Jetzt ist der kritische Moment da. Jetzt entscheidet sich, ob ich weiter Frau und Kind habe oder bald nur Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende. Nach Monaten von Stress und Arbeit stehen meine Freundin und ich vor dem Gefährlichsten: einem freien Wochenende nur für uns.

Gottlob laufen wir nicht blind ins Verderben wie die vielen, die sich nach Weihnachten oder den Sommerferien scheiden lassen. Nein, wir nicht. Wir wissen, dass knappe gemeinsame Zeit gut vorbereitet werden muss. Sehr gut vorbereitet. Und zwar nach dieser wissenschaftlich fundierten, praxiserprobten und quasi unfehlbaren Methode:

1. Sie schlagen auf einer Landkarte einen Kreis mit dem Radius von 200 Kilometern um den Wohnort der Menschen, die Ihnen für ein paar Tage das Kind abnehmen. 2. Ihr Partner setzt sich 15 Minuten (nicht länger!) ans Internet und sucht drei (nicht mehr!) Orte innerhalb dieses Kreises, wo ihn irgendetwas interessiert. 3. Dann tun Sie das Gleiche. 4. Der Ort, den Sie beide auf der Liste haben, ist der kleinste gemeinsame Nenner Ihrer Beziehung. Sie fahren sofort hin. Ohne Diskussion. Bei uns kommt Aachen raus. Hm. Seltsam. Aber gut.

Von Berlin aus fahren wir auf der A 2 gen Westen. Und denken über unseren kleinsten gemeinsamen Nenner nach. Aachen war bei uns beiden die Nummer drei auf der Liste. Und Köln kam nur nicht in Frage, weil dort an dem fraglichen Wochenende Karneval ist. Wir sind erst kurz vor Magdeburg, da ruft mein Vater an: „Aachen? Ihr wollt nach Aachen? Ja, Spitze. Die haben da einen tollen Rosenmontagszug.“

Das Schweigen im Auto währt bis Braunschweig. Dann sprechen wir (Fehler!) über unsere Erwartungen an unsere Reise. Vor Hannover sind wir kurz davor, den Wagen zu wenden.

Erwartung eins: Ich möchte den Aachener Dom sehen. Er ist eine der wenigen vorgotischen Kirchen und wurde von Karl dem Großen persönlich im byzantinischen Stil entworfen. Im Mittelalter ging die Legende, man könne den Aachener Dom sehen, wenn man von den Alpen nach Norden blicke.

Erwartung zwei: Meine Freundin möchte einen Tag mit Wellnessklimbim verbringen. In Aachen gibt es nämlich eine Therme mit den unterschiedlichsten Bädern und Saunen und einem arabischen Hamam. Anschließend möchte sie eine Aroma-Entspannungsmassage bekommen. Die Therme hat angeblich irgendeinen Preis als die tollste Therme nördlich der Alpen bekommen. Sie heißt: Carolus Magnus. Welch ein Hohn.

Erwartung drei: Das Kind weint.

Kurz denke ich darüber nach, dass 14-tägliches Besuchsrecht ja vielleicht auch Vorteile hat. Aber noch ist es für unsere Beziehung nicht zu spät. Aus Erfahrung wissen wir: Für Zwischengeschlechtliches gilt das Gleiche wie für Zwischenmenschliches. Bei scheinbar unüberbrückbaren Differenzen sucht man erst einmal einen gemeinsamen Feind.

Wir beschließen also, uns zuerst gemeinsam den Aachener Rosenmontagszug anzugucken, um uns über die Karnevalsspießer lustig zu machen. Dann beißt meine Freundin die Zähne zusammen und guckt Dom. Dann beiße ich die Zähne zusammen und mache Wellness.

Hat’s funktioniert? Aber hallo!

Der Zug ist voller süßer Kostüme und teilweise wirklich lustig. Im Dom muss meine Freundin lachen, als ein Kunstgeschichtsstudent davon erzählt, dass hier die Windel Christi als Reliquie verwahrt wird. Und beim Wellness schließlich massiert mich eine Holländerin und sagt: „Sie müssen aber schon lange im Urlaub sein, so entspannt, wie Sie sind.“

Fragen zum Feind? kolumne@taz.de Montag: Susanne Lang trifft DIE ANDEREN