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Deutschland kann nur grüne Tore

Klimaneutraler Kick: Wegen der Fußball-WM steigen in Deutschland die Emissionen von Treibhausgasen. Die Organisatoren investieren deshalb 1,3 Millionen Euro in Klimaschutzprojekte. Sie feiern sich als „UmWeltmeister“. Grüne finden das richtig

VON HANNA GERSMANN

Die Fußball-Weltmeisterschaft soll ein Fest ohne Reue werden. Gestern gründete das Organisationskomitee (OK) ein „Green Goal“-Team. Ziel: Die WM soll die erste klimaneutrale Sportveranstaltung werden. Kapitän: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Zwischenstand: schon gewonnen. „Wir sind UmWeltmeister 2006“, jubelte OK-Vizepräsident Horst Schmidt. Die deutsche Fußballszene sieht sich in Topform, ökologisch gesehen. Zu Recht?

Eine große Veranstaltung ist ohne Schäden für die Umwelt nicht zu haben. Die WM ist aber ein Klimakiller erster Güte. Spieler aus aller Welt werden von einem Stadion zum anderen reisen, die Fans auch. Das Ökoinstitut, der Thinktank der deutschen Umweltbewegung, hat nachgerechnet: Durch den WM-Transit würden hierzulande 100.000 Tonnen zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden. So viel Luft passt in 6,2 Milliarden Fußbälle. Zum Vergleich: Für die Gäste des evangelischen Kirchentags wurden vergangenes Jahr 10.000 Tonnen Klimagase veranschlagt. Die Schäden sind nicht rückgängig zu machen. „Neutralisiert werden können sie aber schon“, so Umweltminister Gabriel.

Zum ersten Mal sollen die Emissionen einer großen Sportveranstaltung an anderer Stelle wieder eingespart werden – durch Investionen in Umweltprojekte. Zum Beispiel in Indien: 500.000 Euro hat das WM-Komitee in den Dörfern der vom Tsunami betroffenen Region Tamil Nadu investiert. Damit werden Biogasanlagen gebaut. Die Einwohner kochen nun mit sauberem Biogas aus Kuhdung statt mit rußenden Kerosinbrennern. So sollen bereits ein Drittel aller WM-Klimagase kompensiert sein. Ein ähnliches Projekt gibt es auch in Südafrika. Dort wurde eine Kläranlage umgebaut, so dass klimaschädigende Faulgase nicht einfach entweichen, sondern aufgefangen und zur Stromerzeugung verwendet werden.

Für jede Tonne Treibhausgas, die ausgeglichen wird, kalkuliert das Ökoinstitut 10 Euro. Insgesamt will das Green-Goal-Team 1,3 Millionen Euro in den Klimaschutz investieren. Davon zahlt der Deutsche Fußball Bund 500.000 Euro, der Weltfußballverband Fifa 400.000 Euro. Den Rest teilen sich Sponsoren. Den Organisatoren ist allerdings klar, dass der Emissionsausgleich nur die zweitbeste Lösung ist.

Besser wäre es schon, wenn die gesamten deutschen Stadien grün wären und nicht nur deren Rasenflächen. Die WM-Arenen, so die Vorgabe des OK, sollen den Energieverbrauch denn auch um 20 Prozent mindern. Einige sind schon „richtig fit“, sagt Christian Hochfeld vom Öko-Institut. Die Berliner montierten im Olympiastadion Hightech-Beleuchtungssysteme, so dass statt 500 jetzt nur noch 300 Schweinwerfer gebraucht werden. Kaiserslautern baute auf dem Betzenberg eine Solaranlage. Die Stuttgarter isolierten ihr Neckarstadion. Die Kölner installierten eine neue Rasenheizung, die nur noch halb so viel Energie verbraucht.

„Das Sportkonzept der WM 2006 ist das innovativste, das wir je hatten“, sagt Winfried Hermann, Sport- und Umweltexperte der Grünen. Schließlich würden die Stadien auch Wasser sparen oder Müll trennen. Und die Olympischen Spiele von Sydney seien auch grün gewesen, „aber nicht klimaneutral“. Das sieht Sven Teske, Energieexperte von Greenpeace, genauso. Er fordert aber „mehr sportlichen Ehrgeiz“.

Der Fußballertrick: In der jetzigen WM-Rechnung ist noch gar nicht berücksichtigt, dass Mannschaft und Gäste aus Brasilien, Ecuador oder Japan anreisen. Der Fifa, so sagten Insider gestern, soll es zu teuer gewesen sein, diese Emissionen auch noch auszugleichen. Indirekt zahlen übrigens die Fans für den UmWeltmeistertitel: Auf jedes der 3 Millionen WM-Tickets entfallen rund 3,30 Euro für den Klimaschutz.

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