: Riffgat ohne Stromanschluss
WINDKRAFT Endlich ist der erste deutsche Hochsee-Windpark in der Nordsee fertig, vermeldet EWE. Dummerweise verhindert Weltkriegsmunition, dass der Netzbetreiber pünktlich die Leitungen verlegt
BERLIN taz | Der Termin ist fest gebucht: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will am 10. August den Meereswindpark Riffgat in der Nordsee eröffnen. Der Park besteht aus 30 Windkraftwerken, alle 3,5 Megawatt leistungsstark, und soll der erste kommerzielle in der Nordsee sein. Durch ihn könnten 120.000 Haushalte mit klimafreundlichem Strom versorgt werden. Könnten. Denn das Windfeld hat keinen Stromanschluss. Das letzte Drittel der 50 Kilometer langen Leitung fehlt, weil auf der Kabeltrasse Weltkriegsmunition liegt.
Ursprünglich hatte der Netzbetreiber Tennet zugesagt, dass die Leitung im März dieses Jahres fertig wird. Seit dem Wochenende steht fest: Es wird nicht vor Februar 2014. „Das Problem ist, dass es in diesem Bereich eine starke Strömung gibt, die die Munition versetzt“, erklärte Henrike Lau vom Stromnetzbetreiber Tennet.
Granaten, Bomben, Panzerfäuste, Minen, Fässer mit Giftgas: Der Bund-Länder-Ausschuss „Munition im Meer“ schätzt, dass in deutschen Hoheitsgewässern 1,6 Millionen Tonnen Munition liegen, davon allein 1,3 Millionen in der Nordsee. Besonders gefährlich sind die 300.000 Tonnen chemische Kampfstoffe, die auf dem Meeresboden ruhen. Die Direktive Nr. 28 des Alliierten Kontrollrates vom 26. April 1946 hatte festgelegt, dass über die Demilitarisierungsschritte in den vier Besatzungszonen regelmäßig Bericht erstattet werden musste. Deshalb wurde genau Buch geführt, wie viel Munition die Alliierten ins Meer kippten.
Allein aus Emden wurden 13 Schiffe mit Gifgas beladen und dann in der Nordsee versenkt. Das macht die Arbeiten für Tennet heute schwierig. Bei der Verlegung des Riffgat-Kabels durch den Mündungsarm der Ems wurden im vergangenen Jahr zwei Seeminen, Ankertauminen sowie fast drei Tonnen Munition kleineren Kalibers gefunden. Allerdings ist der Windparkbauer EWE sauer auf Tennet. „Dass dort Munition liegt, ist nicht neu“, erklärte ein Sprecher. EWE hatte beim Windparkbau 15 Kilometer vor Borkum selbst 2,7 Tonnen Munition geborgen.
Der Frust des fünftgrößten deutschen Energiekonzerns ist verständlich: Damit die Lager der Windkraftanlagen nicht kaputtgehen, müssen sie regelmäßig bewegt werden – mit Strom. Dafür wurde auf See ein Dieselgenerator installiert. Die Ausfallkosten immerhin bekommt EWE von Tennet zu 90 Prozent erstattet. Und Tennet holt sich das über die Netzgeltumlage von den Verbrauchern zurück. NICK REIMER