: Plattform für befreite Akten
Im Internet können Dokumente eingesehen werden, die Bürger von Behörden aufgrund des neuen Informationsfreiheitsgesetzes angefordert haben – ganz ohne Gebühren
BERLIN taz ■ Stell dir vor, du könntest Akten der Bundesbehörden jederzeit online einsehen. Und so zum Beispiel etwas darüber lesen, wie das Auswärtige Amt mit Antragsstellern in Visumverfahren umgeht. Das soll das im Januar 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz möglich machen. Es erlaubt jedem Bürger von Behörden, Akten aller Art anzufordern – ohne Angabe von Gründen. Jetzt gibt es auch eine Online-Plattform, auf der diese Akten ausgetauscht werden können. Diese hat der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud) zusammen mit dem Chaos Computer Club (CCC) geschaffen.
„Eigentlich müssten die Behörden eine solche Plattform bereitstellen, aber das wird noch einige Jahre dauern“, bedauert Axel Rüweler von FoeBud. Auf www.befreite-dokumente.de kann seit vergangener Woche jeder „freigekaufte“ Akten einstellen. „Freigekauft“ nennt Rüweler die Akten deshalb, weil für sie gezahlt werden muss – bis zu 500 Euro. Diese hohen Gebühren schrecken viele davon ab, Akten anzufordern. Auch deshalb ist die Plattform sinnvoll: Ist ein Dokument einmal bezahlt, kann jeder es einsehen, ohne dass dafür erneut Gebühren fällig werden. Und die Behörden haben weniger Arbeit, weil sie nicht mehrmals dieselbe Akte herausgeben müssen.
„Die hohen Gebühren stehen im krassen Widerspruch zu dem, was das Gesetz eigentlich bezwecken sollte“, kritisiert Rüweler. Den Vogel abgeschossen hatte das Auswärtige Amt, das für vier kopierte Seiten 106 Euro verlangte. Erst nach Verhandlungen senkte das Amt die Forderung auf 15 Euro. „Wir möchten die Behörden ermuntern, die Akten von sich aus zu veröffentlichen“, sagt Frank Rosengart vom CCC.
Die Idee zu der Plattform entstand während einer Bürgerfunksendung des Clubs. Ein Anrufer wollte wissen, ob er seine angeforderten Akten kopieren dürfe. Laut Meinung verschiedener Juristen ist das erlaubt, allerdings hat sich noch kein Gericht explizit damit auseinander gesetzt. Probleme könnte es geben, wenn Dritte das Urheberrecht für Akten haben.
„Wir wollen Vorreiter sein und das neue Gesetz ausreizen“, sagte Rüweler der taz. Der Bürger müsse über das Gesetz informiert werden und wissen, was er mit den Akten machen dürfe und was nicht.
Uneingeschränkt gilt die neue Behördenpflicht jedoch nicht: Verteidigungspläne oder andere geheime Informationen erhält niemand. Die Behörden dürfen sich verweigern, wenn eine Veröffentlichung die innere und äußere Sicherheit oder Gerichts- und Ermittlungsverfahren gefährdet. Geschützt werden sollen auch personenbezogene Daten, geistiges Eigentum oder Geschäftsgeheimnisse.
Gegen Ablehnungen sind Klagen möglich. Sollten sich Bürger ungerecht behandelt fühlen, können sie sich auch an den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit wenden, den Datenschutzbeauftragten Peter Schaar. Er soll zum Beispiel schlichten, wenn Dokumente verweigert werden.
SARAH STEFFEN