: Schmidts Mischmodell
Gesetzlich Krankenversicherte sollen eine Kopfpauschale zahlen – zusätzlich zu einkommensabhängigen Beiträgen
BERLIN taz/ap ■ Bislang hatten alle Beteiligten dichtgehalten. Ungewöhnlich dicht. Obwohl seit Wochen im Bundesgesundheitsministerium (BMG), in Union und SPD fieberhaft an den Grundzügen einer Gesundheitsreform gearbeitet wird, war von den Plänen nichts nach außen gedrungen. Doch jetzt ist durchgesickert, dass Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung eine pauschale Prämie einführen will. Zusätzlich zu den einkommensabhängigen Beiträgen soll künftig jeder gesetzlich Versicherte eine Pauschale an seine Krankenkasse zahlen. Das berichten Spiegel und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) übereinstimmend. Laut Spiegel soll die Pauschale monatlich 15 Euro kosten, in der FAS ist sogar von 25 bis 30 Euro die Rede.
Schmidt versucht damit offensichtlich, einen Kompromiss zwischen der von der Union favorisierten Kopfpauschale und der Bürgerversicherung zu finden, die die SPD befürwortet. Im Bundestagswahlkampf hatten beide Parteien das Finanzierungskonzept des Gegners scharf kritisiert und als unvereinbar mit dem eigenen dargestellt. Schmidt hat nun die undankbare Aufgabe, ein Mischmodell zu erarbeiten, das beide Parteien mittragen können. Die Gesundheitsreform gilt als eine der Zerreißproben für die große Koalition.
Nach den jetzt bekannt gewordenen Plänen aus dem BMG sollen 10 Prozent der Kassenausgaben künftig über die Kopfpauschale finanziert werden. Die restlichen 90 Prozent der Kassenausgaben sollen weiterhin über Beiträge zusammenkommen. Die Versicherten müssten dabei aber nicht nur auf den Lohn, sondern auch auf andere Einkünfte wie Zinsen oder Kapitalerträge Abgaben zahlen. Insgesamt würden die Ausgaben der Versicherten weiter steigen.
Schmidts Sprecher Klaus Vater hat die Berichte gestern dementiert. Es handele sich dabei „um die übliche Mischung aus Mutmaßungen und Rumrätseln“, sagte Vater. Die SPD-Politikerin werde bis Ende März oder spätestens Anfang April ein Konzept vorlegen. Dem Vernehmen nach soll es unmittelbar nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 26. März ein erstes Spitzengespräch zur Gesundheitsreform geben.
Dann beginnen harte Verhandlungen. Denn obwohl die beiden Koalitionspartner Kompromissbereitschaft auch in der Gesundheitspolitik bekunden, liegen die Positionen von Union und SPD noch weit auseinander. CDU und CSU wollen eine weitaus höhere Prämie durchsetzen als Schmidt sie vorgeschlagen hat, sie wollen die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung möglichst weitgehend von den Löhnen abkoppeln. Uneins ist sich die Koalition auch bei der Entwicklung der Arbeitgeberbeiträge. Während die Union diese auf niedrigem Niveau einfrieren will, will die SPD an dem jetzigen Modell festhalten. Zudem ist umstritten, inwieweit die Privatversicherung in die Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden soll. SABINE AM ORDE
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