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Archiv-Artikel

FEIERSTUNDE EINER ZUNFT Mief alter Zeiten

sieht Reformbedarf im Verband der Sportjournalisten

MARKUS VÖLKER

VDS, schon mal davon gehört? Nein, es handelt sich nicht um die Vereinigung der Sternfreunde. Verein Deutscher Senioren? Ja, das ist fast richtig. Aber gemeint ist der Verband Deutscher Sportjournalisten, der in diesen Tagen sein 100-Jähriges feiert. Man hatte sich zur Feierstunde in einem Berliner Hotel getroffen, eine Werbebande aufgestellt zur Präsentation der Sponsoren Continental, Coca-Cola, Allianz und so weiter. Und dann wurden vor einem Publikum, das auch beim Vertriebenenverband eine prima Komparserie abgegeben hätte, etliche Reden geschwungen.

Ans Pult trat zum Beispiel der Ehrenvorsitzende des VDS, Günter Weise, ein betagter Mann, nicht ohne Witz, doch mit verqueren Ansichten. Er räumte in seiner Geschichtsbetrachtung ein, dass der VDS im Jahre 1933 „gleichgeschaltet“ wurde, aber dies sei doch „in totalitären Systemen so üblich“ gewesen. Krause erging sich in einer zweifelhaften Legitimationsrhetorik: „Ich warne davor, über die damaligen Kollegen zu richten. Es steht denen nicht zu, die damals nicht dabei gewesen sind.“ Diese Worte erregten keinen Unmut im Saal, im Gegenteil, Carl Diem wurde als Säulenheiliger des VDS gepriesen, wobei man wissen muss, dass Sportwissenschaftler und Sportfunktionär Diem in den Jahren der Gleichschaltung keine üble Karriere hingelegt hat. Diem gilt als Initiator des ersten olympischen Fackellaufs 1936. Zwei Jahre nach Kriegsende gründete er die Sporthochschule Köln.

Historiker deckten auf, dass Diem nicht eben ein Pazifist war: „Der Krieg lehrt uns die Notwendigkeit des deutschen Sports. Das Blühen des Vaterlandes hängt von seiner Bereitschaft zum Krieg ab.“ Eine Teilnahme deutscher Sportler an den Sommerspielen 1924 in Paris fand er nicht gut, „solange Neger in französischer Soldatenuniform am Rhein stehen“. Noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges hielt er in Berlin eine Rede mit Durchhalteparolen. Er rief zum „Endkampf für Führer, Volk und Vaterland“ auf: „Wunderbar ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland fällt.“

Man darf es Ehrenpräsident Krause nicht verübeln, dass er den Sportjournalismus alter Prägung besser findet als den heutigen, aber war es wirklich so viel besser, „früher gelegentlich etwas zu verschweigen, weil wir wussten, dass es für gehörigen Wirbel gesorgt hätte“? Das war auch damals schon Betrug am Leser. Wesentliches zurückzuhalten, um Vereinsbosse zu schonen und selbst keinen Ärger zu haben, das spricht für das altbackene Verständnis des VDS. Da war es wohltuend, dass der ehemalige Präsident des Deutschen Sport-Bundes, Manfred von Richthofen, klarstellte: „Ich wünsche mir, dass Sie fernbleiben von der Kumpanei mit Funktionären und Politikern, Sie haben diese Anbiederung eigentlich nicht nötig, einige haben das vielleicht noch nicht verstanden.“ Dieser Hinweis sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit in der Branche sein. Doch weil im VDS der Mief der alten Zeit immer noch durch die Verwaltungsebene weht, hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Austrittswellen gegeben. So mancher Sportjournalist scheut aber den Schritt, weil er Nachteile befürchtet. Der Verband mischt nämlich gehörig mit bei der Verteilung von Akkreditierungen. Ja selbst Presseausweise darf er ausstellen.

An der Spitze des VDS steht bezeichnenderweise ein Fernsehmann: Erich Laaser. Er ist ein Präsentator von Bildern, gegen deren Dominanz die Presse anschreiben muss, mahnte Philosoph und Laudator Gunter Gebauer. Während der VDS in der Vergangenheit schwelgte, gab Gebauer das Motto der Zukunft für den Berufsstand aus: „Sportjournalisten müssen verhindern, dass Zuschauer Bildern hilflos ausgeliefert sind.“