Kein Mordversuch durch Antifas

Das Landgericht Potsdam hat die Anklage wegen versuchten Mordes fallen gelassen

BERLIN taz ■ Die Anklage gegen die 22-jährige Julia S. und vier weitere Angehörige der linken Szene wegen versuchten Mordes ist offenbar fallen gelassen worden. „Das Landgericht Potsdam hat alle Haftbefehle aufgehoben“, gab Sven Lindemann, einer der Verteidiger, gestern bekannt: „Damit ist der unsinnige Mordversuch vom Tisch.“

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte den fünf Linken vorgeworfen, in der Nacht zum 19. Juni 2005 in der Potsdamer Innenstadt den 16-jährigen Rechtsextremisten Benjamin Ö. mit einem Teleskopstab geschlagen zu haben. Obwohl Ö. nur leicht verletzt wurde, wertete der Staatsanwalt den Angriff als versuchten Mord. Er hatte argumentiert, ein Teleskopstab könne durchaus als lebensbedrohliches Instrument verwendet werden. Zudem werde Hass als Motiv für die Tat angenommen und damit sei das für einen Mordversuch kennzeichnende Merkmal des niederen Beweggrunds gegeben.

Dies sieht das Landgericht offenbar anders. Ein unabhängiges Gutachten habe ergeben, dass ein Schlag mit einem Teleskopstab in der Regel niemanden umbringt, berichtet Rechtsanwalt Lindemann. Das Landgericht selbst wollte die Aufhebung der Anklage offiziell nicht bestätigen. Es sei noch nicht klar, ob alle Beteiligten bereits informiert seien, sagte ein Gerichtssprecher.

Der Fall hatte in Potsdam für viel Empörung gesorgt. Eine Serie gewalttätiger Auseinandersetzungen sei in den vergangenen Jahren vor allem von rechts geschürt worden, meinen Kritiker. Dass Linke kriminalisiert wurden, werteten diese als „politische Justiz“.

Auch wenn der Mordvorwurf nicht weiter behandelt wird, die Klage wegen gefährlicher Körperverletzung bleibt anhänglich. Der Beschuldigten drohen bis zu sechs Monate Haft. Fünf Monate hat S. in Untersuchungshaft bereits abgesessen. FELIX LEE