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Archiv-Artikel

Raus aus dem Bruderschatten

Von RLO

Wenn Werder-Anhänger Spieler wie den Neu-Mönchengladbacher Max Kruse oder den Stuttgarter Martin Harnik sehen, überkommt sie schon mal die Wehmut. Die beiden waren einst wie viele andere als junge Profis an die Weser gekommen und zogen nach ein, zwei Jahren auf der Reservebank oder in der U23-Mannschaft frustriert weiter. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch die Geduld von Felix Kroos überstrapaziert sein würde. Der 22-Jährige, der seit 2010 zum Werder-Kader gehört, galt bis vor Kurzem als heißer Kandidat für ein Ausleihgeschäft. Nun stand er für viele überraschend beim 1:0-Sieg zum Bundesliga-Auftakt gegen Eintracht Braunschweig in der Startelf.

Der Bruder von Nationalspieler Toni Kroos war mit großen Vorschusslorbeeren an die Weser gekommen. „Felix ist wie sein Bruder Toni ein außergewöhnlicher Spieler: ballsicher, kreativ, mit viel Drang zum Tor“, sagte damals Dieter Eilts, der ihm als Trainer des Zweitligisten Hansa Rostock 2009 die ersten Einsätze im Profibereich bescherte. Andere sagten Ähnliches und irgendwann wurden die ständigen Vergleiche zur Bürde.

Aufgewachsen sind die Brüder Kroos in Greifswald, 2002 wechselten sie mit ihrem Vater Roland zu Hansa Rostock, der dort bis heute erfolgreich Jugendtrainer ist. Der ein Jahr ältere Toni war immer eine Nase voraus, und als der sich bei Bayern München zum Jung-Star entwickelte, wuchs der Druck auf Felix.

Unter den Nachwuchstrainern von Werder genoss Felix großes Ansehen, sein Potenzial wurde gerühmt, aber zunehmend schien es so, als sei er dem Erwartungsdruck nicht gewachsen. Dazu kam, dass Thomas Schaaf seinen Nachwuchsleuten meist nur dann eine Chance gab, wenn er dazu gezwungen war. Wie im November 2010, als Kroos zu den acht Spielern der Reservemannschaft gehörte, die in Tottenham zum Champions-League-Spiel aufliefen, da neun Stammspieler verletzt waren. Danach verschwand er bald wieder in der Versenkung. Aus der tauchte er erst am 29. Spieltag der vergangenen Saison wieder auf. Sein ruhiges, zweikampf- wie kopfballstarkes Spiel im defensiven Mittelfeld trug mit dazu bei, dass Werder das rettende Ufer erreichte.

Seinen Vertrag bei Werder verlängerte er zwar kurz bevor die Trennung von Schaaf bekannt wurde – in Robin Dutt hat er nun einen Trainer, der schon vor Saisonstart klargestellt hat, dass er „sehr viele Spiele machen“ werde. So genießt Kroos den Trainerwechsel auch nicht nur still. „Ich denke, uns allen tut das vielleicht mal gut, etwas Neues zu haben“, sagt er. Und er selbst scheint endlich auf dem Weg, seine eigenen Stärken zu entfalten.  RLO