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Archiv-Artikel

„Man muss lernen loszulassen“

VERKAUFEN Ein Unternehmen gründen und möglichst schnell verscherbeln? Das ist gar nicht gut, sagt Start-up-Gründer David Rhotert, der heute Investoren und Gründer zusammenbringt

David Rhotert

■ Der Jurist gründete während seines Studiums mit Partycard sein erstes Start-up. Heute ist er Rechtsanwalt der Crowdinvesting-Plattform Companisto (www.companisto.de).

taz: Herr Rhotert, Sie haben 2001 das Start-up Partycard gegründet, über das Nutzer Rabatte in Clubs bekommen. 2005 haben Sie es verkauft. Wenn man Gründer ist, wann kommt da der Punkt, an dem man ans Verkaufen denkt?

David Rhotert: Wir haben erst in dem Moment daran gedacht, als ein Investor auf uns zugekommen ist und uns gefragt hat.

Kein „Was wäre, wenn“ vorher?

Man muss sich auch die Zeit anschauen, zu der wir gegründet haben. Das war 2001, die Internetblase war gerade geplatzt, da wollte doch keiner kaufen. Alle haben sich gefragt, ob ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell auf dem Internet basiert, überhaupt funktionieren kann, ob das nicht totaler Quatsch ist. Und die Szene der Risikokapitalgeber, die in Deutschland sowieso sehr klein ist, war damals noch schwächer. Daher hatten wir die Verkaufsoption gar nicht so auf dem Schirm. Für viele jüngere Gründer ist das heute sicher präsenter. Aber ich glaube nicht, dass das immer nur gut ist.

Warum nicht?

Ich denke, man braucht eine ganz starke emotionale Verbundenheit mit dem Projekt, um es so gut machen zu können, dass es auch jemand haben will. Außerdem besteht die Gefahr, schon einen potenziellen Käufer im Hinterkopf zu haben und das Produkt dann genau in diese Richtung zu entwickeln. Damit verliert man aber ganz schnell die Verbindung zu den Nutzern.

Was haben Sie gedacht, als das Angebot kam?

So etwas ist natürlich schmeichelhaft. Es wird einem bewusst, dass man selbst einen Wert geschaffen hat, den jemand anders haben will. Und da wir das Unternehmen neben unserem Studium laufen hatten, kam das Angebot zu einem guten Zeitpunkt. Abgesehen davon: Man wächst aus dieser Partybranche, in der wir uns mit dem Portal bewegt haben, auch irgendwann heraus.

Also sind Sie nicht in ein Loch gefallen nach dem Verkauf?

Man darf nicht glauben, dass es einfach ist, ein selbst gegründetes Unternehmen zu verkaufen. Wenn man sich vier Jahre lang quasi Tag und Nacht damit beschäftigt hat, muss man lernen loszulassen. Aber es war die richtige Entscheidung. Ich konnte mich wieder in der Uni-Bibliothek einschließen und mich voll und ganz meinem Jurastudium widmen, ohne immer zwischendurch auf das Handy schauen zu müssen, aus Angst, ich könnte einen Anruf verpassen. Und die Erfahrungen, die ich als Gründer gesammelt habe, haben mir viel geholfen bei meinem aktuellen Unternehmen, einer Crowdinvesting-Plattform.

Interessiert man sich als Gründer für die Motive des Käufers?

Ja, definitiv. Es muss nicht nur das Geld stimmen, sondern auch das Konzept. Bei Companisto, unserer Crowdinvesting-Plattform, kann man sich ab 5 Euro an einem Start-up-Unternehmen beteiligen. Wenn jetzt jemand die Plattform übernehmen wollte und vorhat, eine Beteiligung erst ab, sagen wir, 1.000 Euro zu erlauben, dann würde ich sicher nicht unterschreiben.

Bei der Übernahme von Tumblr durch Yahoo kritisierten Verbraucherschützer, dass große Übernahmen zu einer Zentralisierung des Netzes führen.

Ja, das ist ein Problem. Je weniger Player im Netz, desto größer wird deren Einfluss. Aber man darf nicht vergessen, dass auch die Nutzer Macht haben – sie können sich von einem Dienst abmelden, wenn sie keine Lust mehr auf Datensammelwut oder etwas Ähnliches haben. Und vielleicht erwächst daraus ja wieder eine Alternative.

Was raten Sie jungen Gründern heute?

Einfach machen, Mut haben. Gerade mit dem Internet sind die Möglichkeiten enorm. Wir hätten Partycard ohne Internet niemals gründen können. Und die Risikobereitschaft nimmt mit dem Alter ab. Wir hatten nicht viel zu verlieren damals – das war unser Glück. Auch wenn man scheitert, ist das keine Schande. Sondern eine Erfahrung. Glatte Lebensläufe gibt es schon genug.

INTERVIEW: SVENJA BERGT