: „Studierte Einzelkämpfer“
PODIUMSDISKUSSION Die Grünen fragen, wie Inklusion verhaltensauffälliger Schüler geht
■ 60, Schulleiter der Schule für sozial-emotionale Förderung an der Fritz-Gansberg-Straße. Von 1989 bis 2010 leitete er eine ähnliche Schule in Burgdamm. Deren LehrerInnen unterrichteten ihre SchülerInnen seit 1994 an Regelschulen.
taz: Herr Schipfer, was braucht es, um Ihre Schüler und Schülerinnen inklusiv, also an Regelschulen zu unterrichten?
Thomas Schipfer: Klare deutliche Rahmenbedingungen und damit meine ich, dass ausreichend Lehrerwochenstunden zur Verfügung stehen müssen und geeignete Räumlichkeiten da sind, damit man auch mal extern differenzieren, also mit kleinen Gruppen aus der Klasse gehen kann.
Oder mit einzelnen Schülern – wofür genügend Personal da sein muss.
Richtig. Inklusion kostet Geld. Und das alleine reicht nicht, denn die Inklusion muss auch in den Köpfen der Lehrer stattfinden. Das ist etwas, was man nicht studieren kann, das ist eine Geisteshaltung. Deshalb können Sie das nicht einfach von oben anordnen. Da muss man gucken, was die Leute vor Ort brauchen. Supervision, Team-bildende Maßnahmen oder was sie sonst brauchen, um mit ihren Ängsten und Nöten fertig zu werden.
Sind die denn so groß?
Ja, Deutschlands Schulen sind voller studierter Einzelkämpfer, die nicht gelernt haben, in Teams zu arbeiten, gemeinsam Förderpläne für Kinder zu entwickeln.
Dabei ist das das Schöne an der Inklusion, das man nicht mehr alleine vor der Klasse steht.
Das sieht die Mehrheit an den Schulen anders. Die fühlen sich kontrolliert und haben Angst, sich in die Karten gucken zu lassen, nachdem sie 20, 30 Jahre alles alleine gemacht haben, ohne eine Rückmeldung von außen.
Können unter perfekten Rahmenbedingungen alle Kinder und Jugendliche in Regelschulen gehen?
Ich glaube, dass es für eine ganz kleine Anzahl von Kindern nicht möglich ist. Die kriegen wir nicht durch den normalen Schulalltag.
Warum nicht?
Die sind aufgrund dessen, was sie bisher erlebt haben, so weit weg von einer Standard-Beschulung und haben oft solche erheblichen psychischen Probleme, dass wir mit ihnen fast in einem klinischen Bereich arbeiten.
Interview: eib
18 Uhr, Bürgerschaft, Raum 416