ZURÜCK ZU DEN URSPRÜNGEN : Ermüdende Intransparenz
Die letzte große Boxveranstaltung in Düsseldorf mit dem Sieg von Wladimir Klitschko wurde als großes Spektakel inszeniert. Es ist ein genereller Trend im Profiboxen, muss sich der Sport doch – vor allem in den USA – gegen ein anderes Spektakel behaupten: Käfigkämpfe. Diese Käfigkämpfe in Deutschland zu zeigen, ist dem DSF inzwischen verboten worden.
Der Trend zum Spektakel, weg vom Sport, hat aber einen zweiten, ihn stärkenden Faktor: die überzogene Erwartungshaltung der Zuschauer, man könnte auch von Überreizung sprechen. Es werden immer neue Superlative erfunden, um angesetzte Veranstaltungen zu vermarkten. Das führt auch zu einer gewissen Intransparenz: Es werden Weltmeister in 18 Gewichtsklassen und von 50 Verbänden angeboten. Einige Verbände haben Weltmeister und Interimsweltmeister oder Weltmeister und Superchamps. Das ermüdet.
Es trifft sich daher gut, wenn Veranstalter in Zusammenarbeit mit den Fernsehsendern daran basteln, Spektakel wie das in Düsseldorf zu inszenieren. RTL hat sich darauf spezialisiert, schaut allein auf die Quote, und das war’s dann. RTL arbeitet daher auch nur mit den Klitschkos und eventuell künftig mit Felix Sturm. Früher, zu Maskes und Schulzes Zeiten, galt RTL allerdings noch als Boxsender. Der deutsche Durchschnittszuschauer, und dazu zählen auch die jüngeren und die gebildeten Schichten, sind freilich für Spektakel zugänglich. Da gibt es nicht nur Laserspiele und eine Scheinwerferdramaturgie wie zu unseligen Zeiten, da werden Nationalhymnen gespielt, da treten Rocksänger auf, man sieht hübsche Filmsternchen, die sich zum Boxsport äußern, man sieht Prominente. Außerdem wird durch die Kommentatoren Stimmung gemacht.
Einigen reiferen Zuschauern mag dabei ein wenig unwohl sein. Dabei ist es nun einmal so, dass ein Profiboxkampf kein Länderspiel ist. Die deutschen Fernsehsender spielen dabei unterschiedliche Rollen. Einige Sender, die vom außergewöhnlichen Boxboom in Deutschland, der noch immer anhält, profitieren möchten, haben allerdings voll danebengegriffen. ProSieben war wohl am schlimmsten. Man wollte Boxen mit einer Blödelschau Stefan Raabs verbinden. Aber auch Sat.1 hat 2001 frustriert seine Boxsendungen beendet. Nun will man aber wieder, wenn auch zaghaft. Das ZDF hat seinerseits beschlossen, ab Juli aus dem Boxgeschäft auszusteigen. Viele Boxfans werden sagen: zum Glück. Das ZDF hat Boxen und Boxfans nie verstanden oder den Sport intelligent präsentiert.
Aber auch für die Veranstalter hat sich einiges geändert. Für den einstigen Platzhirsch Universum bedeutet das Vertragsende beim ZDF praktisch das Aus. Der Hamburger Klaus-Peter Kohl und sein Schwiegersohn Dietmar Poszwa, die stets auf internationale Klasse und Masse gesetzt haben, müssen kleinere Brötchen backen, Boxer und Trainer loswerden. Ihr neues Konzept besteht darin, voll auf deutsche Boxer zu setzen. Damit können sie das ZDF vielleicht hin und wieder ködern. Aber die Vorarbeit, den Aufbau der Boxer, den müssen sie unter erschwerten finanziellen Bedingungen leisten. Ob sich das langfristig trägt, ist zweifelhaft. Wenn in absehbarer Zeit kein Sender voll bei Universum einsteigt, ist dies vielleicht das Ende für Kohl.
Der wohl heute am besten etablierte Boxstall ist der von Wilfried Sauerland in Berlin. Der Wuppertaler, der den Boxstall von seiner Wahlheimat Südafrika aus lenkt, wollte in Deutschland vor allem deutsche Boxer nach oben bringen. Aber es entwickelte sich anders. Er hat inzwischen auch prominente Ausländer unter Vertrag wie Alex Powetkin, Nikolai Walujew, Mikkel Kessler oder David Hay. Das brachte die Konkurrenz mit Universum so mit sich.
Sauerland profitiert letztlich davon, dass die ARD einen recht sachverständigen Koordinator fürs Boxen hat. Der Moderator der Sendungen, Waldemar Hartmann, ist mit Engagement und Herz bei der Sache, selbst Henry Maske, der linkische Boxexperte – es tut schon weh, wenn er sich nur bewegt –, kann die Sendungen durch seine verquasten Beiträge nicht versauen, und die Veranstaltungen werden vernünftig präsentiert.
Der Joker in diesem Spiel ist der Hamburger Boxstall Arena. Der umstrittene Arenachef Ahmed Öhner hat in nur vier Jahren viel bewegt. Er hat die Sender Fox, Premiere (heute Sky), Eurosport und nun auch Sat.1 für seine Veranstaltungen gewonnen. Er hat einige großartige Boxer, vor allem die Kubaner Gamboa und Solis, unter Vertrag, aber auch Juan Carlos Gomez, Herbie Hyde, Mahir Oral, Sinan Samil San und Selcuk Aydin. Er mischt in der Türkei und den USA mit, wo er ebenfalls TV-Kämpfe organisiert. Er hat von Anfang an die Strategie verfolgt, ob bewusst oder aus der Not heraus, Deutschland als nur einen Markt von vielen zu betrachten, je nachdem, um welchen Boxer es geht.
In gewisser Weise repräsentiert Öner die Zukunft des deutschen Profiboxens: international, wo es sich anbietet, und national, wo es die Logik gebietet. Die deutschen Sender sollten sich darauf einstellen und nicht nur auf Spektakel setzen.
WERNER KASTOR
■ Werner Kastor ist Boxkommentator auf Eurosport