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Archiv-Artikel

Polizei soll unsichtbar werden

FANGEWALT HSV-Fanvertreter Ranau und FC St. Pauli-Präsident Littmann befürworten polizeiliche Deeskalations-Strategie bei Fußball-Spielen

Reaktionen auf die Blockade

Dem Magazin 11 Freunde sagten:

■ Sven Brux, Orga-Chef St. Pauli: „Ich würde mir wünschen, dass die Ultras die Größe haben zu sagen: Da haben wir Scheiße gebaut“.

■ Björn Pahrmann, Gründer des Internetfanclubs „Netpirates“: „Die Kritik, die USP transportieren wollte, finde ich okay. Die Umsetzung war indes eine Katastrophe“.

■ Ronny Galczynski, Redakteur beim Übersteiger: „Jetzt kommen alle wieder aus den Löchern, die sowieso immer schon gegen USP wetterten. Bei aller Kritik gegen USP finde ich das überzogen.“

Einen Tag, nachdem es im Millerntor-Stadion zu Auseinandersetzungen zwischen der Fangruppe Ultras St. Pauli (USP) und anderen Fans des FC St. Pauli gekommen war, fand am Montag auf Einladung der SPD-Bürgerschaftsfraktion in der Taverna Romana im Schanzenviertel eine Diskussion über Fangewalt im Fußball statt, an der auch Vertreter des HSV und des FC St. Pauli teilnahmen.

Im Mittelpunkt standen die Ausführungen des Konfliktmanagers der niedersächsischen Polizei, Eckhard Gremmler. Gremmler stellte vor 80 Anwesenden dar, dass die Polizei bei Heimspielen von Hannover 96 zunehmend auf Deeskalation setzte. Die Polizei halte sich möglichst unsichtbar im Hintergrund und nehme die unterschiedlichen Fangruppen am Bahnhof nur durch einzelne Kontaktbeamte im Empfang, ohne sie mit Polizeitrupps zum Stadion zu eskortieren. Während die Präsenz martialisch ausgerüsteter Hundertschaften immer wieder dazu beigetragen habe, die Stimmung anzuheizen, habe man mit der neuen Einsatztaktik „gute Erfahrungen“ gemacht, so Gremmler.

Für Joachim Ranau, Leiter des HSV-Fanprojekts, wie auch für FC St. Pauli-Präsident Corny Littmann könnte diese Strategie Vorbildcharakter haben. Littmann kündigte an, mit Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) über eine Umsetzung des Konzepts in Hamburg zu sprechen.

Darüber hinaus bezog Littmann Stellung zu den Vorfällen am Millerntor. Dort hatten am Sonntag beim Zweitligaspiel gegen Hansa Rostock Fans, die den Ultras St. Pauli zugerechnet werden können, bis drei Minuten nach Spielbeginn die Südtribüne blockiert und auch die eigenen Fans nicht ins Stadion gelassen – aus Solidarität mit den Rostock-Fans, die aus Sicherheitsgründen ausgesperrt worden waren.

„Wir sollten provoziert werden, mit der Polizei gegen diese Fangruppe vorzugehen“, glaubt Littmann. Da sich die Vereinsführung aber gegen einen Polizeieinsatz entschied, mussten die Fans zusammengepfercht in den Stadion-Katakomben verharren und machten ihrem Unmut mit „Fußballmafia USP“-Sprechchören und mehr als 100 Protestmails an den Verein Luft.

Der hat die USP inzwischen aufgefordert, bis zum heutigen Mittwoch Stellung zu der Blockade zu nehmen. Littmann kündigte „abgestufte“ Konsequenzen für die Blockierer an, will aber Stadionverbote möglichst vermeiden. „Das war zweifelsohne Nötigung und wir werden überprüfen, inwieweit es sich um den Tatbestand der Freiheitsberaubung handelt“, kündigt der Clubchef an. MARCO CARINI