Hilfloses Ballen der Fäuste
: KOMMENTAR VON DANIELA WEINGÄRTNER

In Brüssel herrschte gestern seltene Einmütigkeit: Weißrussland ist keine Demokratie. Die Wahlen waren eine Farce. Was aber folgt aus dieser Erkenntnis? Darauf sind die Antworten so vielfältig wie die geopolitischen Interessen der Mitgliedstaaten. Während die Länder des ehemaligen Ostblocks, allen voran Polen, das Thema am liebsten ganz oben auf die Agenda setzen möchten, drücken sich die anderen möglichst um klare Konsequenzen herum. Schließlich ist Lukaschenko der engste Verbündete von Russlands Präsident Putin.

Also kündigte die EU-Kommission lediglich weitere „soft sanctions“ an. Wahrscheinlich wird das Einreiseverbot auf weitere Mitglieder der neuen weißrussischen Regierung ausgedehnt. Die Fraktionsführer im Europaparlament schleuderten zudem zornige Botschaften Richtung Minsk. Was die Europäische Union zustande bringt, ist jedoch ein hilfloses Ballen der Fäuste vor dem Eisernen Vorhang – mehr nicht. Es gibt keine Einigkeit darüber, welche Maßnahmen Wirkung versprechen. Vor allem aber fehlt der gemeinsame Wille, sich mit Moskau anzulegen.

Die EU-Außenminister befassten sich gestern eher widerwillig mit dem Thema Weißrussland – weil es die Nachrichten aus Minsk unumgänglich machten. Ein anderes Thema dagegen war schon seit Wochen eingeplant: die Sicherheit der europäischen Energieversorgung und die Energiepartnerschaft mit Russland, das ein Drittel der EU-Ölimporte und die Hälfte der Gasimporte liefert. Seit im Januar ein Preisstreit zwischen Russland und der Ukraine dazu führte, dass auch im europäischen Versorgungsnetz der Druck zeitweise abfiel, ist diese Abhängigkeit wieder scharf ins Bewusstsein gerückt.

Die EU hat also kein Interesse daran, durch allzu harte Worte und Taten gegenüber der Regierung in Minsk deren Verbündete in Moskau zu verärgern. Hinzu kommt, dass wirkungsvolle Sanktionen, die nicht die Bevölkerung treffen, immer schwierig zu finden sind. Schon jetzt unterstützt die EU die Opposition, finanziert einen freien Radiosender und lässt Lukaschenko nicht einreisen. Härtere Maßnahmen sind aus Brüssel auch in Zukunft nicht zu erwarten.