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Archiv-Artikel

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DOKUMENTATION Rasmus Gerlach zeigt mit „Apples Stories“, um welchen Preis das iPhone wirklich entsteht

Die cleanen Stores und die schmutzigen Storys: das gehört bei Apple unabdingbar zusammen. Warum, zeigt eine Szene in Rasmus Gerlachs Dokufilm, in der wir den legendären Firmengründer Steve Jobs mit Journalisten des Wall Street Journal sehen. Sie befragen ihn zu den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bei Foxconn, Apples chinesischem Auftragsproduzenten. Zunächst schwelgt Steve Jobs in Lobpreisungen, was für eine schöne Fabrik Foxconn doch sei. Die Arbeiter hätten alles. Es gebe Kinos und Theater, Sportanlagen aller Art und Schwimmbäder. Als deutscher Zuschauer ist man irritiert: Diese Erzählung kommt einem allzu bekannt vor.

Bevor man freilich noch die Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts richtig bedenkt, kommt Jobs auf die Selbstmorde bei Foxconn zu sprechen. Bislang seien es 13, sagt er. Man müsse also aufs Jahr hochgerechnet mit 26 Selbstmorden rechnen. Bei 400.000 Foxconn-Arbeitern bedeute das 7 Selbsttötungen pro 100.000 Menschen, so Steve Jobs: „Das ist immer noch unter dem US-Durchschnitt von 11 Suiziden pro 100.000 Einwohner.“

Schon das lohnt, Gerlachs Film zu sehen: zu erfahren, wie sich Jobs, das Wise Kid des Computerzeitalters, schlicht als Arschloch zu erkennen gibt. Dass Apple an weltweit keinem der Orte, an denen es seine Produkte herstellen und/oder verkaufen lässt, nennenswerte Steuern zahlt, versteht sich nach der oben dokumentierten Einstellung des inzwischen verstorbenen Firmenbosses von selbst. Aber genauso gehört es ins Bild, dass die deutsche Firma H.C. Starck aus dem Harz es als zeitweiliger Betreiber einer Zinnmine im ruandischen Nemba versäumte, die Sozialabgaben und Beiträge für die Berufsgenossenschaft der Minenarbeiter abzuführen, wie der jetzige Minenbetreiber berichtet.

Die Gesellschaft und besonders ihre schwächsten Glieder zu bestehlen ist als Geschäftsidee heute internationaler Standard.

Mit Zinn werden nun freilich nicht nur Apple, sondern sämtliche Computerplatinen verlötet. Die aufschlussreichen bis schockierenden Passagen über Rohstoffgewinnung und -handel oder über den arbeitsrechtlichen Kampf der NGOs und Gewerkschaften gelten also für die Computerbranche insgesamt. Einzigartig ist nur der verstörende Kult, den die Konsumenten um Apple-Produkte machen. Sie zahlen bis zu 600 Euro und mehr etwa für ein iPhone – und Apple revanchiert sich mit 30 Euro Produktionskosten und keinem Cent mehr für das Teil, und dafür darf die Welt ruhig zuschanden gehen.

Gegen solche Kalkulationen helfen leider auch die findigsten Handydoktoren nicht, obwohl die Gespräche mit ihnen die stärksten Momente des Films sind. BRIGITTE WERNEBURG

■ „Apple Stories“. Dokumentarfilm von Rasmus Gerlach. D 2012, 83 Min.