DIE GESELLSCHAFTSKRITIK: Unter vierzig Augen
WAS SAGT UNS DAS? Kampf dem „Phubbing“: Im Netz werden Handysüchtige bloßgestellt
Der australische Student Alex Heigh hat auf stopphubbing.com eine Initiative öffentlich gemacht – und damit auch gleich einen neuen Begriff geprägt: Phubbing – ein Schachtelwort, das aus „phone“ und „snubbing“ (Dt. Abweisung) zusammengesetzt wird und die Beschäftigung mit dem Handy beschreibt, während man sich in Gesellschaft befindet.
Heigh präsentiert satirische Statistiken über das Phubbing-Verhalten auf der ganzen Welt: „92 % der Phubber werden Politiker“, behauptet er etwa. Im deutschen Raum wäre dann Angela Merkel mit an Bord – ihr Blick haftet selbst dann am Handy, wenn neben ihr gerade eine Rede gehalten wird. Doch nicht nur Politiker, auch Freunde sitzen sich im Café gegenüber und schreiben sich gleichzeitig mit anderen Leuten. Das konzentrierte Gespräch unter vier Augen wird abgelöst von einem durch laute Piepstöne strukturierten Nebenbeiplausch.
Wer solche Freunde hat und von ihnen genervt ist, kann durch die Internetinitiative Bilder des Sünders in die „Phubbing Hall of Shame“ hochladen. „Sei brutal“, steht dort in Rosa, „du tust ihnen absolut einen Gefallen damit.“ Ihre Rechtfertigung findet diese Halle der Schande durch die Selbstverständlichkeit, mit der manche ihr Gegenüber ignorieren oder herabsetzen. Eine zwischenmenschliche, persönliche Interaktion drückt sich nicht nur durch Worte, sondern auch durch Mimik, Gestik und Stimmklang aus. Die vorgezogene, halbherzige Kommunikation via Smartphone, die nur aus Touchscreen-Berührungen besteht, deutet auf etwas anderes hin: auf das Gefühl, sich sogar gemeinsam einsam zu fühlen. Man will überall sein, will bloß nichts verpassen.
Die Masse an Informationen, die wir täglich konsumieren, macht süchtig. Dabei twittern, posten und simsen Menschen die meiste Zeit über Nichtigkeiten. In diesem Mitteilungsbedürfnis zeigt sich der fortgeschrittene Narzissmus, der jeden dazu antreibt, andere ständig am Erlebten und Gedachten teilnehmen lassen zu wollen. Und das Smartphone, das kalt und leuchtend in der Hand liegt, vibriert … Moment – ich bin gleich wieder da: Vielleicht ist es ja wichtig!
LISA MAUCHER
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