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Archiv-Artikel

Schwierige Aufgabe der UNO-Inspektoren

KONTROLLEN Seit Sonntag sind internationale Experten in Syrien. Noch ist unklar, ob sie dorthin fahren können, wo jetzt C-Waffen-Angriffe gemeldet werden

Sarin greift die Nerven an: Wer es inhaliert, stirbt qualvoll innerhalb von zehn Minuten

BERLIN taz | Für Åke Sellstrom hört sich der Fall „so an, als müssten wir ihn uns anschauen“. Das sagte der Chef der UNO-Inspektoren in Syrien am Mittwoch gegenüber dem schwedischen Sender SVT, als er von den aktuellen Vorwürfen über mutmaßliche Giftgasangriffe erfuhr.

Allerdings, so schränkte Sellstrom ein, könne er erst aktiv werden, wenn ein UNO-Staat den Antrag beim Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, stellt – und nur wenn Syrien zustimmt. Kurz darauf kündigten Vertreter Frankreichs einen solchen Antrag bei der UNO an; die Regierung in London wollte das Thema auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates setzen.

Der schwedische Giftgasexperte Sellstrom und sein Team waren erst am Sonntag in Damaskus eingetroffen – nach monatelangen Verhandlungen der UNO mit Präsident Baschar al-Assad. Dieser hatte zur Bedingung gemacht, dass die Inspektoren nur 3 von insgesamt 13 Orten besuchen, an denen laut einem Anfang Juni veröffentlichten Bericht einer Ermittlungskommission des UN-Menschenrechtsrats in Genf seit Dezember 2012 mutmaßlich Chemiewaffen eingesetzt wurden. Möglicherweise handelt es sich um Stoffe wie Sarin und Senfgas. Sarin greift die Nerven an: Wer es inhaliert und nicht sofort ein Gegenmittel erhält, stirbt qualvoll innerhalb von zehn Minuten. Senfgas verbrennt Atemwege, Augen und Haut.

Der UNO-Bericht beruhte auf Interviews mit 430 Flüchtlingen und medizinischem Personal, außerdem auf Hinweisen von Flüchtlingen und ausländischen Regierungen. Beiden Seiten wird vorgeworfen, C-Waffen eingesetzt zu haben, in den meisten Fällen aber wird die Regierung beschuldigt. Am Ende willigten die Inspektoren ein, nur die drei von Assad genehmigten Orte zu überprüfen.

Die Giftgasexperten arbeiten unter schwierigsten Bedingungen: Sie können sich nicht frei bewegen, stets sind Vertreter des Regimes in der Nähe. All das macht eine unabhängige Befragung von Zeugen kaum möglich. Zudem kommt es darauf an, möglichst schnell etwa Blut- oder Urinproben von Opfern der Angriffe und Bodenproben zu analysieren – am besten in den ersten ein bis zwei Tagen, um das verwendete Gift genau bestimmen zu können.

Syrien ist einer von sieben Staaten, die Chemiewaffenbesitz eingestehen. Es hat den 1993 verabschiedeten Vertrag zum vollständigen Verbot dieser Massenvernichtungswaffen nicht unterschreiben. Nach Erkenntnissen der USA und anderer Staaten verfügt das Land über 700 Tonnen Sarin und je etwa 100 Tonnen von Senfgas und dem Nervengas VX.

ANDREAS ZUMACH, LI