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Archiv-Artikel

Nur nichts Negatives

NS-GESCHICHTE Die Zeitungen gleichgeschaltet, der Rundfunk als Mittel einer propagandistischen Unterhaltung – eine Podiumsdiskussion über die Massenmedien im Nationalsozialismus in der Topographie des Terrors

Zwischen den Zeilen

■ Die Zeitungspresse als NS-Machtinstrument ist das Thema der Ausstellung „Zwischen den Zeilen?“ in der Topographie des Terrors. Dargestellt werden die Grundzüge des repressiven Pressesystems der NS-Politik, die dabei den Anschein von Pressefreiheit und einer Meinungsvielfalt wahren wollte. Ausstellungsdauer bis 20. Oktober, täglich 10 bis 20 Uhr, Niederkirchnerstraße 8. www.topographie.de

■ Nächster Vortrag im Begleitprogramm zur Ausstellung: Markus Roth über „Tagebücher als Quelle. Zur Medienrezeption im Dritten Reich“ am 10. September um 19 Uhr. Eintritt frei.

VON CHRISTINA STEENKEN

Während der Weimarer Republik befand sich mitten in Berlin der Hauptknotenpunkt der Presse in Europa: Rund um die Kochstraße, wo heute die taz ihren Sitz hat, lag das Zeitungsviertel. Berühmte Verleger wie Ullstein, Mosse und Scherl ließen hier die ersten Massenblätter drucken. 4.000 Zeitungen erschienen zu der Zeit in Deutschland. Allein in Berlin waren es 140 Zeitungen und Illustrierte. Zum Vergleich: Heute sind es laut des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger etwa 330 Verlage mit 1.500 verschiedenen Ausgaben.

„Die deutsche Bevölkerung war eine lesende Bevölkerung“, wusste der Historiker Karl Christian Führer am Dienstag bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Massenmedien im Nationalsozialismus“ in der Topographie des Terrors – Auftakt des Begleitprogramms zur Ausstellung „Zwischen den Zeilen?“ über die Zeitungspresse als NS-Machtinstrument im Haus.

75 bis 80 Prozent der Bevölkerung bezogen laut Führer ein Zeitungsabonnement in den letzten Vorkriegsjahren. Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die Vielfalt der Presse zerschlagen: die oppositionelle Presse wurde verboten, 2.500 Journalisten gingen ins Exil, darunter viele Juden, die nicht mehr als Journalisten arbeiten durften. 1943 gibt es nur noch 1.000 Zeitungen, die mittlerweile fast allesamt im Besitz der NSDAP sind.

Selbstgleichschaltung

Die Lenkung der Presse durch das NS-Propagandaministerium funktionierte dank der Selbstgleichschaltung der Journalisten zudem fast reibungslos. Die hatte oft schon bereits nach 1930 eingesetzt, einfach weil die Zeitungen ihre Leser halten wollten. Da diese immer häufiger die NSDAP wählten, wollte man sie nicht durch negative Artikel über Hitler verprellen. Dazu kam die Weltwirtschaftskrise, durch die den Verlagen oft 50 Prozent der Werbeeinnahmen wegbrachen. Doch auch die „symbolische Verbeugung“ der Nationalsozialisten vor den Journalisten durch das „Schriftleitergesetz“, das allen Journalisten einen „ehrenvollen nationalen Auftrag“ erteilte, so eine These Führers, mag zusätzlich Loyalität erzeugt haben.

Im Unterschied zu den Zeitungen wurden die „modernen“ Medien, der Rundfunk und die Film-Wochenschau, vom Propagandaministerium vor allem zur Unterhaltung der Bevölkerung genutzt. „Gesinnung braucht nicht Langeweile zu bedeuten“, entschied Propagandaminister Goebbels für den Rundfunk. Die Politik wich musikalischen Sendungen wie „Das Wunschkonzert“, Übertragungen von Sportereignissen oder der Frühsportgymnastik, die ihre Zuhörer mit „Heil Hitler, liebe Frühgymnasten“ begrüßte, berichtete die Kulturhistorikern Inge Marszolek. Der Rundfunk als Medium für eine unterschwellige Durchdringung des Alltags mit der NS-Propaganda.

Anders verhielt es sich bei der Wochenschau im Kino. Mit Beginn des Krieges war hier das Besondere, dass sich die Bilder der zehnminütigen Sendungen ausschließlich auf Kriegshandlungen konzentrierten, sagte Rainer Rother von der Deutschen Kinemathek. In einer Montage wurden Kriegsereignisse gezeigt, untermalt mit Musik, die das Gezeigte heroisieren sollte.

Der Erfolg der Wochenschau war allerdings auch gebunden an den Erfolg der Wehrmacht: „Solange der Blitzkrieg als Konzept funktioniert, ist die Wochenschau eine überzeugende Größe, danach wird es schwierig“, so Rother. Seine Vermutung: dass die Durchhaltepropaganda nach 1943 von der Bevölkerung zwar noch wahrgenommen wurde, aber kaum mehr eine Wirkung hatte.