Engagierte Kritikerin

Ein Osterinterview benutzt Wallström jetzt dazu, ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern über ihre zehn Jahre in der Europäischen Kommission

Besondere Kennzeichen: neugierig, offener Blick, gradlinig. Margot Wallström hat einen neuen internationalen Auftrag. Zehn Jahre lang war sie Schwedens Vertreterin in der EU-Kommission. Jetzt arbeitet die 55-Jährige als UN-Sondergesandte im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Kinder in Konfliktsituationen.

„Vergewaltigung als Kriegswaffe ist nicht entschuldbar durch Kultur oder Tradition“, sagt Wallström: „Es ist ein Verbrechen, und das muss bekämpft und verfolgt werden.“ Dazu zählt sie Gewalttaten der UN-Friedenstruppen: „Auch wenn dies absolute Einzelfälle sind, beschädigen sie deren Ansehen und das der gesamten UN.“

Statt in New York hätte ihre sozialdemokratische Partei die ehemalige Verbraucher-, Kultur- und Sozialministerin in diesem Wahljahr eigentlich gern als populäres Zugpferd in der schwedischen Innenpolitik gesehen. Doch das lehnte Wallström dankend ab: Sie habe eben schon seit Jungsozialistenzeiten internationale Solidarität und Politik viel spannender gefunden. In den Achtzigerjahren demonstrierte sie als Greenpeace-Aktivistin und 1995 zur großen Irritation in Paris sogar als leibhaftige Ministerin in der Südsee gegen die französischen Atomtests auf dem Muroroa-Atoll.

Ein Osterinterview benutzte Wallström jetzt dazu, ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern über ihre zehn Jahre in der Kommission. Ein Thema ist dabei die Chemikalienrichtlinie Reach, das bislang umfassendste Gesetzesvorhaben der EU, das damals von Umweltorganisationen als zu lasch, von vielen Regierungschef als viel zu weitgehend kritisiert wurde. Und sie erinnert sich an einen Genossen, „über den kochte ich vor Wut“: Gerhard Schröder, Kanzler der Auto- und Chemieindustrie, der „Katastrophen ohne Ende“ angesichts solch strenger Umweltpolitik vorhergesagt habe.

Während die Kommission unter dem Chaoten Romano Prodi ein richtiges Team gewesen sei, habe sie so ihre Probleme mit dem autoritären José Manuel Barroso gehabt. Damit liefert die Mutter zweier Söhne wohl auch eine Erklärung für ihr eher glückloses Agieren als Barrosos Stellvertreterin und Kommissarin für die Kommunikationsstrategie. „Er hatte es schwer mit der Öffentlichkeitskultur, aus der ich komme.“ REINHARD WOLFF