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Archiv-Artikel

Migranten machen mobil

In den USA haben in den letzten Tagen hunderttausende gegen die geplante Verschärfung des Ausländerrechts demonstriert. Zwölf Millionen Menschen leben ohne gültige Papiere in den USA, fast drei Viertel stammen aus Mexiko und Lateinamerika

VON BERND PICKERT

Mindestens 500.000 Menschen haben am Samstag in Los Angeles gegen geplante Verschärfungen des Ausländerrechtes in den USA demonstriert. In der kommenden Woche will sich der Kongress mit verschiedenen Gesetzentwürfen befassen, die zum Ziel haben, illegal im Land lebende Migranten künftig strafrechtlich zu verfolgen, jene mit bis zu fünf Jahren Haft zu bedrohen, die ihnen helfen, und die Grenze der USA zu Mexiko mit einem 1.100 Kilometer langen Grenzzaun weiter abzuschotten.

Die Demonstration am Samstag war die größte einer ganzen Reihe von Protestkundgebungen in verschiedenen Städten des Landes in der vergangenen Woche. Aufgerufen hatten neben Migrantenorganisationen auch Landwirte, Gewerkschafter, Vertreter religiöser Gruppen und Studentenorganisationen. Auch in Denver demonstrierten am Samstag rund 50.000 Menschen.

Die katholische Kirche, angeführt von Kardinal Roger M. Mahony, dem Erzbischof von Los Angeles, setzt sich seit Wochen dafür ein, die Gesetzentwürfe im Kongress zu Fall zu bringen. Insbesondere gegen die Strafandrohung für Menschen, die „Illegalen“ helfen, ziehen die Kirchen zu Felde, die zahlreiche Hilfseinrichtungen betreuen. Mahony sagte, er würde Priester anweisen, das Gesetz nicht einzuhalten, sollte es verabschiedet werden. Not leidenden Immigranten nicht zu helfen, verstoße gegen das „höhere Gesetz“ der christlichen Nächstenliebe.

In den USA leben nach Angaben des Pew Hispanic Research Center (http://pewhispanic.org) schätzungsweise 12 Millionen Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus. Die meisten davon, 6,2 Millionen Menschen, kommen demnach aus Mexiko, 2,5 Millionen weitere aus anderen lateinamerikanischen Ländern, vor allem aus Zentralamerika. In manchen Beschäftigungsfeldern, etwa in der Landwirtschaft oder im Bau, machen „Illegale“ bis zu ein Viertel der insgesamt Beschäftigten aus.

Im US-Senat liegen in der kommenden Woche verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Neben den vom Repräsentantenhaus bereits verabschiedeten Kriminalisierungsvorschlägen stehen zwei weitere alternative Entwürfe zur Debatte: Einer will den Migranten ohne Papiere eine Art Gastarbeiterstatus auf sechs Jahre mit Rückkehrverpflichtung zugestehen, andere bevorzugen die automatische Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen nach sechs Jahren im Land. Präsident George W. Bush ließ verlauten, er bevorzuge die Gastarbeiterregelung.

Die harten Vorschläge des Repräsentantenhauses kommen aus republikanischen Kreisen, die sich damit in der auch politisch immer wichtiger werdenden Latino-Bevölkerung wenig Freunde verschaffen. Im November dieses Jahres sind Kongresswahlen, und schon fürchten Republikaner in Kalifornien, eine zu harte Gangart gegen Latino-Migranten könnte für das Abschneiden der Partei ähnlich verheerende Wirkungen haben wie seinerzeit die Debatte über die „Proposition 187“. Mit dem Gesetzesentwurf wollten die Republikaner 1994 „Illegalen“ und ihren Kindern ärztliche Hilfe und Schulbesuch verweigern.

Mit den Demonstrationen vom Wochenende haben die Einwanderer eine ungeahnte Stärke gezeigt, die die Debatten der kommenden Woche tüchtig anheizen dürfte. „Es gab in der Einwanderer-Community noch nie eine solche Mobilisierung“, sagte ein Sprecher einer Einwandererorganisation aus Illinois der Los Angeles Times: „Sie haben einen schlafenden Giganten geweckt. Das ist der Beginn eines massiven Kampfes um die Bürgerrechte von Einwanderern.“ mit epd