„Mehr Tote als in Dresden“

EINWEIHUNG Vier Stelen erinnern ab heute in Ohlsdorf an die Bombardierung Hamburgs 1943

■ geboren 1941, ehemals Staatssekretär, begleitete das Aufstellen der Stelen durch die Stiftung „Hamburg-Verbundenheit“ federführend.

taz: Herr Tidick, was genau war die „Operation Gomorrha“?

Frank Tidick: Der Begriff beschreibt die Luftangriffe der Alliierten im Juli und August 1943. 36.000 Tote wurden im Ohlsdorfer Sammelgrab bestattet, 75 Prozent der Stadt waren zerstört.

An der Sammelgrabstätte werden heute vier Stelen mit Informationstafeln enthüllt. Was steht da drauf?

Darauf wird erläutert, dass hier die Opfer der Bombennächte von Juli und August 1943 liegen.

Nichts zum Hintergrund der Bombardements – den Krieg, den das Deutsche Reich vom Zaun gebrochen hatte?

Nein. Wir beschränken uns hier bewusst auf die Beschreibung des Mahnmals. Parallel zur Übergabe der Stelen findet in der St. Nikolai Kirche die Eröffnung einer Dauerausstellung statt. Dort kann man mehr Informationen zum Thema erhalten.

„Opfer des Bombenkrieges“ ist ein sehr unbestimmter Begriff. Zählen dazu auch Zwangsarbeiter und die Menschen in den Konzentrationslagern?

In Ohlsdorf sind Menschen bestattet worden. Ganz gleich ob sie Bürger, jüdische Bürger, gefangene Soldaten oder Insassen des KZ Neuengamme waren. In der Sammelgrabstätte wird bewusst nicht differenziert. Man hat damals Tote gefunden, die nicht zugeordnet werden konnten.

Die Rüstungsproduktion in Hamburg lief nach den Bombardements des Jahres 1943 wieder an.

Auf die Rüstungsproduktion in Hamburg weisen wir in der Ausstellung hin. Das Mahnmal hat ja nur die Funktion, an die Bombennächte zu erinnern. Es soll ein Anlaufpunkt für Hinterbliebene und deren Freunde sein. Jüngere Leute, die sich das Mahnmal ansehen, werden es in der Mehrheit gezielt aufsuchen – und anschließend hoffentlich in die Ausstellung gehen.

Warum bezeichnen Sie die Bombardements als „größte Katastrophe“ in der Geschichte Hamburgs?

Wegen der ungeheuren Zahl an Toten. Das waren mehr als in Dresden, fast das Doppelte. Hamburg wurde zu 75 Prozent zerstört. Es ist ungeheuerlich, welche Teile alle weg waren, der Hafen war nicht mehr funktionsfähig. Das ist eine Dimension, die es vorher einfach nicht gegeben hat.  INTERVIEW: TSC

Übergabe von vier Stelen zur Erinnerung an die Opfer der Bombardierung 1943: 14 Uhr, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756