Klagen ist ein stumpfes Schwert

BILANZ In Bremen haben Tierschützer seit 2007 ein Verbandsklagerecht. Doch geklagt haben sie bisher nicht. Das Problem ist der Bund: Er verweigert den Verbänden, was Naturschützer schon lange haben

Die Bilanz ist ernüchternd. Dabei waren sie in Bremen die ersten, die Tierschützern ein Verbandsklagerecht gegeben haben, 2007 war das. Eine der ersten Entscheidungen, mit denen die damals neu gewählte rot-grüne Landesregierung politisch ein Zeichen setzen wollte. Aber bis heute hat der Deutsche Tierschutzbund, dessen Ehrenpräsident Wolfgang Apel, ein Bremer, ist, keine einzige entsprechende Klage eingereicht. Das liegt nicht nur daran, dass im Stadtstaat kaum Platz für beklagenswerte Massentierhaltung ist.

Da sind natürlich die umstrittenen Affenversuche des Uni-Neurobiologen Andreas Kreiter. Doch nicht einmal ein einstimmiger Beschluss des Landesparlaments konnte die 1998 begonnenen Experimente an den Makaken stoppen. Zuletzt entschied das Bremer Oberverwaltungsgericht Ende 2012 einen langen Rechtsstreit – zugunsten des Hirnforschers. Eine Klage des Tierschutzbundes ist da nicht sehr aussichtsreich. Aber teuer.

Ohnedies erlaubt das bremische Verbandsklagerecht nur, Verwaltungsakte nachträglich überprüfen zu lassen. In laufende Verfahren wird nicht eingegriffen, erteilte Genehmigungen können nicht zu Fall gebracht, Tierhalter nicht direkt verklagt werden. Der juristische Spielraum der Länder ist gering: Die meisten Fragen, die den Tierschutz angehen, regelt der Bund. Und der hat Vorrang, immer.

Das Bremer Modell erlaubt deshalb nur eine „Feststellungsklage“: Dabei müssen die Verbände auf eigene Kosten vor Gericht feststellen lassen, dass eine Genehmigung des Landes rechtswidrig war. Dies hat aus juristischer Sicht nur deklaratorischen Charakter, kann aber öffentlichen Druck entfalten.

Manchmal weichen jene, die eine Klage treffen könnte, auch einfach aus. Ins Private, dorthin also, wo keine Klage möglich ist. Zirkusse etwa, also solche mit Tigern und Löwen, Alligator und Kamelen. Zwar hat Rot-Rot-Grün schon 2011 im Parlament beschlossen, solche Zirkusse in Bremen zu verbieten, doch durchsetzen könne Bremen das nicht, sagt die Verwaltung. Das könnte der Bund – mit einem überall geltenden Verbot. Zirkusse mit Wildtieren gastieren in Bremen jetzt auf Privatgrund. Also gibt’s keine Genehmigung, gegen die sich klagen ließe. Eine Verbandsklage wäre da, sagt Apel, „eine Totgeburt“.

Auch gegen die neue Eisbärin, die 2012 in den Zoo am Meer nach Bremerhaven kam, konnten die Tierschützer nicht intervenieren. Und das nach Jahren des Protests dagegen, dass Eisbären in Gefangenschaft gehalten werden. Doch die für die Haltung von Eisbären hierzulande geltenden Vorgaben werden bequem erfüllt: 200 Quadratmeter für ein Paar sind gefordert, in Bremerhaven haben sie 1.600 Quadratmeter für drei Tiere.

Apel lobt das Verbandsklagerecht gleichwohl als „wichtig“. Und, ja, es zeige auch Wirkung: In Bremen werde inzwischen „wesentlich vorsichtiger“ mit Tierversuchen umgegangen als früher. Derzeit prüft der Tierschutzbund eine Klage, will sich aber noch nicht näher äußern. Ein solcher Vorstoß müsse „gut vorbereitet“ sein, sagt Apel – sonst verliere man die Glaubwürdigkeit.

Im Sommer hat auch Nordrhein-Westfalen ein Verbandsklagerecht im Tierschutz beschlossen. Die rot-grüne Landesregierung lobte sich für ihre „Vorreiterrolle“ und „umfassende Klage- und Mitwirkungsmöglichkeiten“. Doch im Kern geht es darum, überhaupt angehört zu werden. Und um Feststellungsklagen, so wie in Bremen.

Tierschützer fordern deshalb vehement, was Naturschützer seit 2002 haben: ein Verbandsklagerecht auf Bundesebene. Erst dann ließe sich gegen vieles überhaupt klagen.  JAN ZIER