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Archiv-Artikel

USA können ohne London losschlagen

SYRIEN US-Präsident Barack Obama strebt für den Syrien-Einsatz eine internationale Koalition an. UN-Waffeninspekteure verlassen am Samstag Damaskus. Bericht über Brandbomben auf Schule

Rot-Grün gegen Waffengang

■ Die SPD lehnt einen Militäreinsatz gegen Syrien nach Worten ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ab. Zugleich schlug Steinbrück am Freitag in Berlin vor, dass der G-20-Gipfel in der kommenden Woche Verhandlungen über eine schnellstmögliche Waffenruhe anschieben sollte. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte im taz-Interview: „Hundert Stunden Verhandlungen sind besser als eine Minute schießen“ – dieses Zitat stammt von Exkanzler Helmut Schmidt (SPD).

■ Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin warnte vor einem Alleingang der USA in Syrien. Wahrscheinlich richte eine militärische Antwort mehr Schaden als Nutzen an, sagte Trittin. (dpa, afp)

Interview mit Sigmar Gabriel auf der wahl.taz SEITE I

BERLIN taz | Nach der Absage des britischen Unterhauses an einen Militärschlag gegen Syrien beharrt das Weiße Haus darauf, Präsident Barack Obama könne auch ohne Beteiligung Londons und des US-Kongresses „handeln“, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit gehe. Ohne Kritik blieb das nicht: Über 200 Abgeordnete des Repräsentantenhauses aus beiden Parteien haben inzwischen schriftlich den Präsidenten aufgefordert, mögliche Militäraktionen vor den Kongress zu bringen. Noch am Donnerstagabend telefonierte Obama mit dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, um ihn über den Stand der Debatte in Kenntnis zu setzen. Noch immer sei, hieß es nach außen, über keinerlei konkrete Maßnahmen entschieden. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte am Freitag in Manila, Obama wolle nicht im Alleingang vorgehen. Ziel des Präsidenten sei es vielmehr, jede Entscheidung auf der Basis internationaler Zusammenarbeit zu treffen.

Bis Ende der Woche wollte die Regierung auch Beweise vorlegen; es gebe „kaum Zweifel“ daran, dass syrische Regierungstruppen hinter dem mutmaßlichen Giftgasangriff vom Mittwoch vergangener Woche steckten. Eine zusammenfassende, nicht als geheim eingestufte Version sollte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

In Syrien selbst haben die UN-Inspektoren am Freitag, ihrem letzten Tag im Land, Soldaten in einem Militärkrankenhaus besucht, die nach Regierungsangaben bei der Durchsuchung eines von Rebellen genutzten Tunnels auf chemische Substanzen gestoßen und Dämpfen ausgesetzt gewesen seien. Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana soll sich der Vorfall am vergangenen Samstag in Dschobar ereignet haben, einem Vorort von Damaskus. Die Inspektoren wollten Syrien am Samstagmorgen verlassen. Über Erkenntnisse ist bislang nichts verlautbart worden. Allerdings haben sie nur die Aufgabe, herauszufinden, ob und womöglich mit welchen Substanzen Giftgas eingesetzt wurde, nicht aber, wer es angewendet hat. Medien spekulierten über einen US-Angriff kurz nach Abreise der UN-Inspektoren.

In Erwartung dieser Militärschläge bereiten sich sowohl Syriens Regierung als auch islamistische Rebellengruppen auf mögliche US-Militärschläge vor, berichtet die New York Times unter Berufung auf Aktivisten und Twitter-Accounts von Aufständischen. Die Armee habe begonnen, schweres Gerät aus bekannten Militäreinrichtungen in Wohnviertel zu verlegen, und auch die Islamisten hätten in Erwartung, ebenfalls zum Ziel von US-Raketen zu werden, Truppen und Ausrüstung verlegt.

Der britische Fernsehsender BBC berichtete unterdessen am Donnerstagabend aus einem nicht näher benannten Ort im Norden Syriens, wo BBC-Reporter eine Schule besuchten, die laut Augenzeugen von aus Kampfflugzeugen abgeworfenen Brandbomben getroffen wurde. Sie filmten auch die schlimmen Brandverletzungen der Opfer, die, so berichten interviewte Ärzte, auf den Einsatz von Napalm oder ähnlichen Stoffen hindeuteten. BERND PICKERT