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Archiv-Artikel

Allein in Berlin – vor allem in Sitzungen

DOKU Was machen Bundestagsabgeordnete? Ein 3sat-Film (heute und Do, 20.15 Uhr) zeigt es

188 der 651 Volksvertreter im gerade noch aktuellen Bundestag verdienten also, laut einer Schätzung der Otto-Brenner-Stiftung, Nebeneinkünfte in Höhe von 32 Millionen Euro in vier Jahren. Heißt auch: 463 von 651 Bundestagsabgeordneten hatten – ihre Ehrlichkeit vorausgesetzt – keine veröffentlichungspflichtigen Nebeneinkünfte.

Der Fernsehsender 3sat zeigt morgen die sehenswerte zweiteilige Dokumentation „Volksvertreter. Abgeordnet in den Bundestag“. Alle fünf Porträtierten könnte man Hinterbänkler nennen, ohne ihnen zu nahe zu treten. Keiner hat auf der Bundestagswebsite eine entgeltliche Nebentätigkeit angegeben.

Nicht einmal Sylvia Canel von der FDP. Obwohl die besagte Studie sagt, dass es vor allem die Abgeordneten der Koalition sind, die auf nebenberuflichen Wegen wandeln. Und auch obwohl Canel im Film selbst sagt: „Was wirklich hilft, ist, wenn man einen anständigen Beruf hat und finanziell unabhängig ist.“ Canel sagt das, nachdem sie im Kampf um Platz eins ihrer Landesliste unterlegen ist. Im nächsten Bundestag wird sie nicht mehr sitzen.

Anders Elisabeth Scharfenberg von den Grünen: Sie schafft Listenplatz drei nicht, bewirbt sich also um Platz fünf (warum nicht vier?) und wird schließlich, nach dreimaliger Auszählung, mit einer Stimme Vorsprung zur Siegerin erklärt. Politik ist ein ständiger Kampf, ein einsamer noch dazu. Der Zuschauer im Film ist beim Nominierungsparteitag dabei und wenn Scharfenberg am späten Abend in einer Sitzungswoche das Taxi zur Berliner Wohnung nimmt.

Aber solche Bilder sind eher die Ausnahme in Siegfried Ressels wohlwollendem Film über fünf Idealisten auf dem Boden der realpolitischen Tatsachen. Im Wesentlichen sieht man: das Mitglied des Bundestags (MdB), von Ressel irgendwo hingesetzt, sei es auch in eine Fabrik, das Wort an Ressel richtend; das MdB bei der Arbeit als solches, das Wort mal an die Mitarbeiter, mal an die Fraktion richtend; das Paul-Löbe-Haus in diversen, etwas kunsthandwerklich daherkommenden, statischen Einstellungen. Der Filmemacher ist aber Profi und nicht Träumer. Daher künden Glasfassaden, Betonwände und leere Sitzgruppen vielmehr von der Verlorenheit und Entfremdung des einzelnen Abgeordneten in der Berliner Republik.

Im Wesentlichen lernt man: Das Dasein des einfachen Bundestagsabgeordneten besteht vor allem aus – Sitzungen. Da geht es in so einer Sitzung etwa, es ist im Januar 2013, um eine anstehende „Sitzung am späten Nachmittag mit dem ägyptischen Präsidenten Mursi“. In einer Plenarsitzung ruft die Linke Heike Hänsel dazwischen: „Die Niebel-Karawane zieht durch Deutschland!“ Der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich sagt: „Da muss ich wirklich sagen, hab ich immer Respekt, wenn die da mit dem T-Shirt im Plenum sitzt und ständig die Zwischenrufe macht.“ Thomas Feist (CDU) findet hingegen „ordentliche Klamotten“ wichtig: „Also ich würde im Plenarsaal nie ohne Krawatte auftauchen.“ JENS MÜLLER