Dann nehmen wir Berlin

Von Leonard Cohen stammt sie, eine der bekanntesten Zeilen der Popgeschichte: „First we take Manhattan“, grummelte der große Cohen im Jahre 1988, „then we take Berlin“. Exakt ein Vierteljahrhundert später muss man sagen: Manhattan ist auch nicht mehr das, was es mal war, und stattdessen hat sich Berlin zum Sehnsuchtsort entwickelt. Das kann man allerspätestens daran erkennen, dass sich eine Band Take Berlin nennt.

Die beiden, die sich vorgenommen haben, zuerst Berlin und dann die Welt zu erobern, heißen Yvonne Ambrée und Jesse Barnes. Sie lebt in der deutschen Hauptstadt, er in New York. Die beiden hatten bislang vor allem eine hübsche, zur Legendenbildung taugliche Gründungsgeschichte aus verpassten Gelegenheiten und zufälligen Begegnungen an seltsamen Orten vorzuweisen. Nun, mit ihrer Debüt-EP „Lionize“, legen sie auch noch die Songs vor, die dazu angetan sind, diese Legende mit Leben zu füllen. Denn selten hat man einen solch stimmungsvollen Folk-Pop gehört.

Die akustische Gitarre klimpert selbstvergessen, eine altersschwache Orgel röchelt schwindsüchtig und selbst Trompete oder Flügelhorn pfeifen auf dem letzten Loch, während sich die beiden Stimmen in wundervollen Duetten umflattern wie zwei verliebte Schmetterlinge, die aber schon auf das Ende des Sommers warten. „Only the moment“, säuseln die beiden Turteltauben, und zielsicher steuern Take Berlin stets immer genau jenen Augenblick an, in dem sich die Trauer in Melancholie verwandelt.

Auch Julia A. Noack hat sich einen schönen Mythos zugelegt: Vor genau zehn Jahren hat sich die Singer/Songwriterin in das Bonner Hotel geschlichen, in dem ein gewisser Bob Dylan wohnte. Der Großmeister ließ sich tatsächlich breitschlagen, sich Noacks Songs vorspielen zu lassen, sang sogar ein Lied mit ihr gemeinsam und bescheinigte der Aufdringlichen dann – so geht diese Legende – eine Stimme wie Emmylou Harris.

Auf „The Feast“ kann man nun hören, dass Noack tatsächlich eine sehr schöne, allerdings auch etwas austauschbare Stimme besitzt. Vom akustisch hingeklampften Folk, der ihre ersten beiden Platten dominierte, hat sie sich auf diesem dritten Album entfernt, immer öfter dürften die Gitarren kräftig elektrisch klingen, bestimmen satte Bläsersätze oder sogar ein paar elektronische Effekte das Klangbild. Musik, die hier wie dort, in Berlin und New York funktionieren dürfte. THOMAS WINKLER

■ Take Berlin: „Lionize“ (Take Berlin), live am 6. 9., Kaffee Burger

■ Julia A. Noack: „The Feast“ (Timezone), live am 11. 9., Privatclub