stadt der wissenschaft : Braunschweig köchelt
Manchmal gibt es Städte, die schmeißen sich einem eben nicht an den Hals. Es sind stolze, selbstbewusste Städte, die die Strategie fahren: Dem Besucher sind Steine in den Weg zu legen. Denn nur wer die Hürden meistert, ist unserer Stadt würdig.
Braunschweig, die schöne Südostniedersächsin, ist so eine Stadt. Den Bahnhof hat man in Braunschweig weit vor die Tore der Stadt gebaut, also ist das erste, was man als Reisender über Braunschweig lernt: In die Innenstadt kommt man nur mit der Straßenbahn, zu Fuß wäre es eine halbe Stunde. Was bei einer Stadt mit gerade mal 240.000-EinwohnerInnen bundesweit einzigartig sein dürfte.
Nun ist Braunschweig vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur „Stadt der Wissenschaft 2007“ gekürt worden. Denn Braunschweig liegt laut einer Studie der EU mitten in der „forschungsintensivsten Region der gesamten Europäischen Union“. In dieser Region hat Braunschweig eine Technische Universität, eine Hochschule für Bildende Künste und eine Fachhochschule. Wolfenbüttel hat die Herzog August-Bibliothek, Wolfsburg das Phaeno und Salzgitter das Bundesamt für Strahlenschutz. Unter anderem.
Was Braunschweig aber nicht hat, ist eine Sparkasse. Tatsächlich: Wo andernorts an jeder Bremsspur ein Sparkassen-Geldautomat steht, ist in Braunschweig: Nichts. Banken gibt es trotzdem, allein um die 125.000 Euro zu verbuchen, mit denen der Stifterverband die Auszeichnung dotiert hat. Sparkassen-Kunden können derweil gegen Gebühr bei der Nord-LB abheben. Diese hat sich übrigens kürzlich die Internet-Adresse www.sparkasse-braunschweig.de gesichert – als mögliche Leidtragende einer möglichen Sparkassen-Neugründung.
Aber das nur nebenbei. Denn mit dem Titel „Stadt der Wissenschaft 2007“ verbindet Bürgermeister Gert Hoffmann erstmal „Aufbruchsstimmung“: Die Mitkonkurrenten Freiburg und Aachen hat Braunschweig aus dem Feld geschlagen und für den Veranstaltungsreigen im Jahr 2007 sind bislang bereits eine Million Euro an Sponsorengeldern eingeworben worden. Braunschweig ist nach Bremen/Bremerhaven und Dresden die dritte Stadt, die die Auszeichnung entgegennehmen darf. Und was dabei suboptimal laufen könnte, weiß man vor allem vom letztjährigen Preisträger Bremen: Dort hatten die rund 300 Veranstaltungen zur Wissenschaftsvermittlung laut Veranstalter zwar einige hunderttausend Besucher angezogen, laut einer repräsentativen Umfrage der Uni Bremen allerdings hat ein Drittel der volljährigen Landesbürger überhaupt nicht mitbekommen, dass Bremen und Bremerhaven 2005 „Stadt der Wissenschaft“ waren.
Seine Bewerbung hat Braunschweig übrigens als Kochbuch aufgemacht. Was endlich das Rätsel der ortsüblichen Freizeitgestaltung lösen dürfte: Was machen die bloß alle nach 20 Uhr, fragt man sich beim Abendspaziergang durch die City. Genau: Sie köcheln. KLAUS IRLER