: Gerne mal für einige Wochen …
ELTERNZEIT Mehr Väter nehmen nach der Geburt ihres Kindes eine bezahlte Auszeit vom Job. Doch die große Mehrheit von ihnen bleibt nicht länger als zwei Monate zu Hause
■ Die Elternzeit wird durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz geregelt und gewährt Müttern und Vätern bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes einen Rechtsanspruch auf eine berufliche Auszeit zur Betreuung des Nachwuchses. Damit sich betroffene Eltern das überhaupt leisten können, wird vom Staat eine Transferzahlung geleistet – das einkommensabhängige Elterngeld, das über die Zeit des Mutterschutzes hinaus gezahlt wird; sein Mindestbetrag liegt bei 300 Euro, der Höchstsatz bei 1.800 Euro. Die Zahlung des Elterngeldes ist grundsätzlich auf zwölf Monate unmittelbar nach der Geburt des Kindes begrenzt. Über zwei Partnermonate lässt sich der Anspruch auf insgesamt 14 Monate ausweiten. Der Antrag auf Elterngeld wird beim jeweiligen Jugendamt gestellt. Wer von den beiden Eltern wie lange Elternzeit nimmt, können die Eltern im Übrigen selbst entscheiden.
■ Infos: elternzeit-berlin.de. Für Väter: vaeterzentrum-berlin.de
VON ANGELIKA FRIEDL
Seit drei Monaten ist Peter Kollmann (Name geändert, d. Red.) Vater eines Sohnes. Für Jonas hat er sich im Juli einen Monat Elternzeit genommen, ein weiterer Monat ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Mit diesen Zeiten passt sich der Berliner Versicherungsangestellte dem allgemeinen Trend an. Denn die meisten Väter bleiben gerade einmal acht Wochen zu Hause. Nur knapp 7 Prozent nehmen sich tatsächlich ein ganzes Jahr Zeit für ihr Kind.
Allerdings ist der Anteil der helfenden Väter über die Jahre ständig gestiegen. 2009, also zwei Jahre nach der Einführung des Elterngeldes, lag er bei knapp 20 Prozent. Im Jahre 2011 bezog schon jeder vierte Vater Elterngeld. In Berlin liegen die Zahlen, sowohl was die Anzahl der Väter als auch die Dauer der Elternzeit anbelangt, etwas über dem Bundesdurchschnitt. „Das hört sich natürlich gut an, aber Fakt ist doch, dass die meisten Väter immer noch nach der Geburt eines Kindes arbeiten gehen, während die Mutter zu Hause bleibt“, erklärt Eberhard Schäfer. Der Therapeut leitet das Väterzentrum Berlin, das unter anderem Kurse für werdende Väter anbietet und jeden Donnerstag das „Papacafe“ öffnet. Das Väterzentrum liegt mitten in Prenzlauer Berg. Bei Schäfers Kundschaft finden sich, wenig überraschend, viele Väter, die sich länger als die üblichen zwei Monate um ihr Kind kümmern.
Auch der freiberufliche Pankower Journalist Kai Freitag verabschiedete sich vor zwei Jahren vier Monate lang von seiner Redaktion – trotz unsicherer Zukunftsaussichten. „Ich habe mir schon bei meiner ersten Tochter diese Zeit genommen und wollte sie auch für Lotte haben. Wenn man über so viele Wochen lang den ganzen Tag mit einem Kind zusammen ist, entwickelt sich eine sehr intensive Beziehung. Das möchte ich auf keinen Fall missen“, sagt der 39-Jährige.
Dass Väter mittlerweile wenigstens ein paar Wochen Auszeit nehmen, um sich um den Nachwuchs zu kümmern, ist inzwischen immerhin eine Normalität. „Das ist in den vergangenen Jahren gesellschaftlich mehr und mehr akzeptiert worden. Die Anmeldungen werden vom Arbeitgeber quasi durchgewunken“, sagt Therapeut Schäfer. Er sieht vor allem Unwissenheit als Grund dafür, warum Väter nicht länger zu Hause bleiben. Viele wüssten nicht, dass die Elternzeit nach der Partnerregelung des Bundeselterngesetzes zwischen den Paaren so aufgeteilt werden kann, wie sie es wünschen.
Die Elternzeit ist ein gesetzlicher Anspruch für alle Eltern, die man auf drei Jahre insgesamt verteilen kann. Wer Elterngeld will, muss aber auch die Auszeit nehmen. Sie steht Angestellten genauso zu wie Freiberuflern, Arbeitslosen und Studierenden. Das volle Geld gibt es maximal für die ersten 14 Lebensmonate des Kindes. Entweder der Vater oder die Mutter bekommen es höchstens 12 Monate lang. Einen extra Zuschlag von 2 Monaten gibt es, wenn auch der andere Elternteil weniger arbeitet, um das Baby zu betreuen. Messlatte für die Zahlung ist das bisherige Einkommen – 1.800 Euro ist die Höchstgrenze, mindestens sind es 300 Euro im Monat, wenn man in den letzten 12 Monaten vor der Geburt gar nichts verdient hat. Seit Neuestem ziehen die Ämter bei der Berechnung einen Pauschbetrag für Sozialversicherung und Steuer ab. Das bringt für Haushalte mit einem Einkommen zwischen 2.000 und 3.000 Euro etwa 10 Euro weniger im Monat im Vergleich zur früheren Regelung, bei der man mit durchschnittlich 65 Prozent des Nettoeinkommens rechnen konnte.
Das liebe Geld spielte auch für Peter Kollmann eine Rolle bei seiner Entscheidung, sich mit zwei Monaten Elternzeit zu begnügen. „Einige hundert Euro weniger im Monat können wir uns auf längere Zeit nicht leisten“, sagt Kollmann. Ökonomisch wäre es aber meistens sinnvoller, wenn Väter das Geld beantragen würden. Sie erhalten nämlich mit 1.204 Euro im Durchschnitt deutlich mehr Elterngeld als die Mütter, die auf 868 Euro kommen.
Den Antrag auf Elterngeld stellt man übrigens bei den Jugendämtern seines jeweiligen Bezirks. In der Regel klappt es relativ schnell mit dem Bescheid und der Auszahlung. Innerhalb einer Woche nach Antragstellung schickte Tempelhof-Schöneberg den Bescheid an Peter Kollmann und seine Frau und überwies gleichzeitig das Geld. In anderen Bezirken, sagt Berater Schäfer, kann es dagegen schon einmal passieren, dass Anträge für Monate auf Halde liegen.
Die meisten Eltern orientieren sich bei ihrer Entscheidung genauso wie die Arbeitgeber an den wirtschaftlichen Fakten und der traditionellen Rollenverteilung. „Wer ein halbes Jahr oder länger aussetzen will, muss schon damit rechnen, dass der Chef kritische Fragen zur Karriere stellt“, meint Eberhard Schäfer. In bestimmten Branchen ist die Elternzeit daher auch wenig verbreitet, wie zum Beispiel im höheren Management oder bei Krankenhausärzten. Aber auch in prekären Arbeitsverhältnissen oder in kleinen Handwerksbetrieben, die es sich kaum leisten können, wenn ein Handwerker für viele Monate ausfällt.
Die Mütter selbst tun oft wenig, glaubt Schäfer, um an diesem Zustand etwas zu ändern. „Ich höre immer wieder, dass Väter, die längere Zeit für ihr Kind da sein wollen, nachgeben, wenn die Frauen sagen, sie möchten aber gerne ein ganzes Jahr zu Hause bleiben.“ Auch die Frau von Peter Kollmann will dieses Jahr, so dass für ihn eine längere Auszeit nicht zur Debatte steht. Ansonsten hält er die Elternzeit für eine prima Idee und freut sich, einige Wochen lang die Wohnung zu putzen, einzukaufen und die Windeln von Jonas zu wechseln.