: CDU-Senat darf weiter kriseln
Bürgermeister Ole von Beust bringt neuen Justizsenator Lüdemann in der Bürgerschaft durch. Eine Nein-Stimme aus der eigenen Fraktion. SPD und GAL nehmen Senatorin Schnieber-Jastram ins Visier
von SVEN-MICHAEL VEIT
Um 15.27 Uhr gestern Nachmittag war die Krise des Hamburger CDU-Senats beigelegt. Vorerst zumindest. Mit 62 von 119 Stimmen wählte die Bürgerschaft Carsten-Ludwig Lüdemann (CDU) zum neuen Justizsenator. Die 57 Gegenstimmen bedeuten, dass ein Mitglied der 63-köpfigen CDU-Fraktion zusammen mit den 56 oppositionellen Abgeordneten von SPD und GAL mit Nein votiert haben muss.
Dennoch war die Erleichterung bei Bürgermeister Ole von Beust offensichtlich. Er hatte sein politisches Überleben mit der Wahl Lüdemanns verknüpft. „Ich bin nicht Heide Simonis“, hatte er der CDU-Fraktion mitgeteilt, und dass er mehr als zwei Wahlgänge nicht akzeptieren würde. Seine Optionen hätten dann gelautet: Vertrauensfrage, Rücktritt oder Neuwahlen. Jetzt darf er weiterregieren.
„Die Krise schwelt weiter“, behauptete in der anschließenden „Aussprache zur aktuellen politischen Lage“ SPD-Parteichef Mathias Petersen. Für die Protokoll-Affäre des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Feuerbergstraße, deren vorläufiger Höhepunkt die Entlassung von CDU-Justizsenator Roger Kusch am Montag ist, trage der Regierungschef selbst die Verantwortung. „Sie haben Herrn Kusch zum Senator gemacht, und Sie haben ihn viel zu lange im Amt gelassen“, warf Petersen dem Bürgermeister vor.
Den gleichen Fehler mache er nun bei seiner Stellvertreterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram. Deren Amtsführung steht im Mittelpunkt des PUA, und der habe erwiesen, dass Schnieber-Jastram „ihrer Aufgabe nicht gewachsen ist“, konstatierte Petersen. Von Beust müsse auch sie entlassen, forderte er.
Das fand CDU-Fraktionschef Bernd Reinert nicht nur „vollkommen unbegründet“, sondern zudem „scheinheilig“. Die Opposition habe wohl daran zu knabbern, „dass unsere Mehrheit steht“, sagte er, wie die Wahl Lüdemanns gerade bewiesen habe. Auf die Nein-Stimme aus den eigenen Reihen verschwendete Reinert kein Wort.
Der Bürgermeister handele nach dem Grundsatz, dass „immer die anderen schuld sind“, stellte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch fest. Mit dem Fall Kusch hielt sie sich gar nicht erst auf, sondern nahm ausführlich Schnieber-Jastram ins Visier. Die engsten Mitarbeiter der Senatorin wurden strafversetzt und ihr Staatsrat Klaus Meister vorige Woche geopfert – „nur die Senatorin wusste angeblich von nichts“, wunderte sich Goetsch: „In der Feuerbergstraße ist die Hölle los, sie weiß von nichts, ein Jahr PUA, sie weiß von nichts – wer soll das glauben?“
Der Bürgermeister tut es. Es habe „ernste Vorgänge“ gegeben, räumte von Beust ein, aber auch „viele Gerüchte und unbewiesene Behauptungen“. Er selbst jedoch habe „schnell aufgeklärt, schnell gehandelt und schnell Konsequenzen gezogen“. Den Bericht von Staatsrat Axel Gedaschko (CDU), dessen Recherchen zur Entlassung Meisters und Kuschs geführt hatten, versprach von Beust „demnächst“ zu veröffentlichen. Er warte noch die parallelen Untersuchungen des Bürgerschaftspräsidiums ab, „um diese nicht zu beeinflussen“.
Sein Senat – inklusive Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram – werde nunmehr weiter „Politik für Hamburg machen“,versicherte der Bürgermeister. Weitere „durchaus berechtigte Fragen“ könnten ja im PUA gestellt und beantwortet werden, seinetwegen auch in einem zweiten.
Dessen Einrichtung zur Aufklärung der Protokoll-Affäre behalten SPD und GAL sich vor. Beschlossen werden kann er in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 12. April. Bislang hatten sie keine Einigung mit der CDU darüber erzielen können, den Untersuchungsauftrag des PUA Feuerbergstraße um die Protokoll-Affäre zu erweitern. „Dann machen wir eben“, stellten mehrere Redner der Opposition klar, „einen zweiten PUA.“