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Archiv-Artikel

WAS WÄHLEN, WENN … … Sie ein Whistleblower sind?

PROGRAMME Wer Behörden-interna enthüllt, muss mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen. Nur Linke und Piraten wollen das ändern

Wirklich sicher wäre ein deutscher Snowden wohl nur vor den Piraten

Ein Whistleblower wie Edward Snowden muss nicht nur in den USA eine Gefängnisstrafe befürchten. Auch Deutschland bestraft Menschen, die Interna von Behörden und Geheimdiensten ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Der einfache Verrat von Dienstgeheimnissen bringt hierzulande maximal fünf Jahre Haft, der besonders schwere Fall von Landesverrat fünf bis fünfzehn Jahre Haft.

Das spürte zum Beispiel der Stuttgart-21-Gegner Dieter Reicherter. Er hatte auf einer Website aus polizeiinternen Unterlagen zitiert, aus denen sich ergab, dass die baden-württembergischen Behörden auch mit verdeckten Ermittlern in der Stuttgarter Protestszene unterwegs waren. Reicherter legte also offen, mit welchen geheimen Überwachungsmethoden ein Staat seine Bürger überzieht. Doch die Unterlagen waren als „vertraulich“ eingestuft, der niedrigsten Geheimhaltungsstufe. Um herauszufinden, welcher Polizist die Unterlagen an Reicherter herausgegeben hat, durchsuchte die Polizei seine Wohnung, beschlagnahme seinen Computer, las seine Mails.

Welche Partei müsste ein Whistleblower wählen, der nicht im Gefängnis landen will? Union, SPD, Grüne und FDP fordern in ihren Wahlprogrammen keine Straffreiheit für Whistleblower. Das überrascht vor allem bei den Grünen, denn die haben sich im Wahlkampf bei Snowden weit aus dem Fenster gelehnt: Die Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt forderten in einem offenen Brief an Merkel, den Amerikaner Snowden hier aufzunehmen.

Die Linkspartei hingegen setzt sich laut Wahlprogramm für den Schutz von „Informanten über Missstände in Unternehmen und Behörden“ ein. Wie genau die Linke diesen Schutz erreichen will, führt sie allerdings nicht näher aus. Das machen nur die Piraten: Sie zählen die einzelnen Strafrechtsparagrafen auf, die sie gerne entschärfen möchten. Dienstgeheimnis- und Landesverrat soll ihrer Ansicht nach straffrei bleiben, wenn die Whistleblower „auf Missstände aufmerksam machen“. Wirklich sicher wäre ein deutscher Snowden wohl nur vor den Piraten.

Bis die eines Tages regierungsfähig sind, sollten Whistleblower die Anonymität wählen: Einfach die geheimen Papiere oder Datenträger in einen Umschlag stecken und dann ohne Absender mit der Post an die Zeitung des Vertrauens schicken.

SEBASTIAN HEISER

Der Autor ist Redakteur in der Berlin-Redaktion