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Archiv-Artikel

Schlappe für den Kreml in Moskau und der Provinz

RUSSLAND Der Oppositionskandidat Alexei Nawalni schneidet bei den Bürgermeisterwahlen in Moskau viel besser als erwartet ab. Trotzdem will er das offizielle Wahlergebnis nicht anerkennen. In der Uralmetropole Jekaterinburg siegt die Opposition sogar

„Wir fordern eine zweite Wahlrunde“

ALEXEI NAWALNI, OPPOSITIONSKANDIDAT IN MOSKAU

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Bei den Bürgermeisterwahlen in Moskau hat der Kreml-Kandidat Sergei Sobjanin nur einen überraschend knappen Sieg errungen. Nur etwas mehr als 51 Prozent wählten den amtierenden Bürgermeister. Mit der hauchdünnen Mehrheit gelang es dem Technokraten, einem zweiten Wahlgang zu entgehen. Der eigentliche Sieger ist der Oppositionskandidat Alexei Nawalni. Er übertraf mit mehr als 27 Prozent die Prognosen um fast 10 Prozent. Die vier weiteren Kandidaten der mehrheitlich systemkonformen Opposition erreichten nur knapp 3 Prozent. Nur die Kommunisten kamen noch auf ein zweistelliges Ergebnis von 10,7 Prozent.

Auch in der Uralmetropole Jekaterinburg schlug der Oppositionskandidat Jewgeni Roisman den amtierenden Bürgermeister von der Kremlpartei „Vereintes Russland“. In der nordrussischen Stadt Jaroslawl schaffte es erstmals auch die erst vor kurzem zugelassene Oppositionspartei RPR Parnas in ein Parlament. Mit dem früheren Vizepremier Boris Nemzow zieht ein bekannter Politiker der ersten Generation der Demokraten aus den 1990ern in die städtische Duma ein.

Der 37-jährige Antikorruptionsblogger Nawalni erkennt das offizielle Wahlergebnis aber nicht an. Noch in der Nacht zum Montag sprach der Anwalt von „eindeutigen Fälschungen“ und sagte: „Wir fordern eine zweite Wahlrunde.“ Er rief seine Anhänger am Montagabend zu einer genehmigten Protestveranstaltung im Zentrum Moskaus auf. Mehrere tausend Freiwillige hatten seine Kampagne unterstützt und die Überraschung ermöglicht.

Im Gegensatz zum Amtsinhaber Sobjanin hatte der Kreml dem Herausforderer Nawalni den Zugang zu staatlichen TV-Sendern verwehrt. Doch durch einen groß angelegten „Gang ins Volk“ erreichten Nawalni und seine freiwilligen Helfer nach eigenem Bekunden 70 Prozent der Wahlberechtigten. Innerhalb weniger Monate stieg der Bekanntheitsgrad des Oppositionellen, der bis dahin vor allem in sozialen Netzen Popularität erlangt hatte, auch außerhalb der Internetgemeinde um ein Vielfaches.

Nawalni ist sich seiner Sache sicher und löckt wider den Stachel. Die Ergebnisse seien am Reißbrett entstanden, meinte er. Sein Wahlkampfteam beharrt darauf, dass er mindestens 35 Prozent erhielt. Verstöße gegen das Wahlreglement wurden vielerorts bekannt. Angeblich fielen sie in Moskau geringer aus als bei früheren Wahlen. Vor allem fanden sie aber nicht direkt in Wahlbüros oder beim Auszählen statt, da dort Kameras wachten. Besonders bei Briefwählern und Wählern an den mobilen Urnen soll in Moskau erheblicher Missbrauch getrieben worden sein. Doch in der Provinz soll der Betrug ein Ausmaß wie bei den Dumawahlen 2011 erreicht haben.

„Wir haben die offensten und ehrlichsten Wahlen in der Geschichte Moskaus organisiert“, meinte Sobjanin indessen. Ein unfreiwilliges Eingeständnis, dass frühere Wahlen nicht ganz fair verlaufen sein müssen. Noch in der Nacht hatte der Kreml auch auf dem Bolotnaja-Platz – quasi um dem Gegner das Territorium streitig zu machen – Tausende Staatsbedienstete zu Sobjanins Siegesfeier einbestellt. Sie wurden mit vorgefertigten Transparenten ausgestattet.

Für Sobjanins schlechtes Abschneiden wird auch die niedrige Wahlbeteiligung von 32 Prozent verantwortlich gemacht. Während die Opposition die letzten Reserven mobilisieren konnte, blieben Kremlwähler zu Hause, da sie die Abstimmung schon für entschieden hielten. Sie machte Nawalni zu einem landesweit anerkannten und legitimierten Politiker. Lange wird der Kreml diese politische Kraft nicht mehr ignorieren können.

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