weingarten, goehler etc.
: Neuer Mann der Hauptstadtkultur

Der Vertrag von Adrienne Goehler, Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds in Berlin, läuft Ende April aus. Ihr Nachfolger wird Elmar Weingarten, wie jetzt die Senatsverwaltung für Kultur mitteilen konnte. Aha, denkt man, und dann in schneller Reihenfolge: natürlich ein Mann, nachdem über eine Periode von vier Jahren zwei Frauen an der Spitze großer Förderinstrumente der Kultur standen (Adrienne Goehler seit 2002 beim Hauptstadtkulturfonds, Hortensia Völckers seit 2002 bei der Kulturstiftung des Bundes). Natürlich ein Mann der Hochkultur, der anders als seine Vorgängerin nie im Verdacht stand, sich von abenteuerlichen Diskursen und kritischen Potenzialen verführen zu lassen. Natürlich ein Manager und erfahrener Lobbyist, der für seine Kommunikationsfähigkeit gelobt wird, während Adrienne Goehler, wie jetzt wieder in der Presseerklärung des Senats, das Attribut „streitbar“ angeheftet wird.

Sie liebt es, sich so zu sehen: Sie hat damit der Summe der geförderten Projekte so etwas wie ein Gütesiegel des latent Widerständigen im eventlastigen Kulturbetrieb verliehen. Dennoch bleibt das Adjektiv als Qualifizierung von Senatsseite zweifelhaft, klingt es doch nach einem Seufzer der Erleichterung. Denn nachdem zuletzt im Bundestagswahlkampf Zweifel an der Praxis des Hauptstadtkulturfonds von CDU-Politikern laut wurden, die damit ihre Partei kulturpolitisch zu profilieren suchten, muss es dem Berliner Senat jetzt wichtig sein, jede Frage nach der Existenzberechtigung dieses Förderinstruments zu vermeiden.

Der Soziologe und Musikmanager Elmar Weingarten ist sicher ein Mann, dem man dies zutraut. Berlins Kultursenator Thomas Flierl und Kulturstaatsminister Bernd Neumann, die sich im gemeinsamen Ausschuss von Bund und Land Berlin über den neuen Kurator verständigt haben, loben denn auch mit einer Stimme sein „hohes Ansehen“ als „Kulturmanager“ und „glänzender Kommunikator“. Weingarten hat sich diesen Ruf als Intendant erworben, zuletzt des Philharmonischen Orchesters Berlins (bis 2001) und als Geschäftsführer des Ensemble Modern. Er gehörte im Rat für die Künste, einer Plattform für das Gespräch zwischen Kulturinstitutionen und Initiativen in Berlin, zu den Initiatoren des Hauptstadtkulturfonds und war 2002 und 2003 auch Juror der Projekte.

Also alles bestens? Ist es hysterisch, seine Wahl als Signal zur Vorsicht und möglichen Wende ins Abgesicherte zu vermuten, nur weil er immer im Anzug und hauptsächlich in Konzertsälen zu sehen ist? Weil er, mehr Vaterfigur der Avantgarde denn mit den Wassern von Postmoderne und Dekonstruktion gewaschen, fern von allen Szenen scheint, die irgendwie als popkompatibel gelten können? Hoffen wir, eines Besseren belehrt zu werden.

KATRIN BETTINA MÜLLER