Land zahlt halbe Miete

Subventioniert NRW solvente Mieter? Bauminister Oliver Wittke streicht die Fehlbelegerabgabe, um reiche Familien in Problemvierteln zu halten. Kommunen bezweifeln Wirkung

VON KLAUS JANSEN
UND HOLGER PAULER

Gleicher Preis für alle, unabhängig vom Einkommen – das Land kennt künftig nur noch eine Sorte Sozialmieter. Die so genannte Fehlbelegerabgabe, die besserverdienende Mieter öffentlich geförderter Wohnungen bislang an das Land entrichten mussten, wird rückwirkend zum 1. Januar abgeschafft. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition wolle damit den Wegzug „sozial stabilisierender Gruppen“ aus Problemvierteln verhindern, sagt CDU-Fraktionsvize Bernd Schulte. Ein entsprechender Gesetzesentwurf solle „in den nächsten Wochen“ verabschiedet werden.

Die Landesregierung hatte ursprünglich vorgesehen, die Abgabe stufenweise bis zum Jahr 2009 auslaufen lassen. Nun macht sie Tempo: Die 92.000 Fehlbeleger-Haushalte in NRW erhalten jetzt sogar das seit Januar gezahlte Geld zurück. Dem Land entgehen 34 Millionen Euro, die bislang für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen waren. Seit Einführung der Ausgleichszahlung im Jahr 1983 wurden durch die Einnahmen in Höhe von 1,55 Milliarden Euro landesweit 25.000 Sozialwohnungen finanziert.

CDU-Bauminister Oliver Wittke versichert jedoch, dass die Förderung von Sozialwohnungen nicht leiden werde: „Die Einnahmen stellen nur einen verschwindend geringen Anteil an unserem Wohnungsbauprogramm dar“, sagte Wittke der taz. Zudem werde ein Drittel der Einnahmen durch Verwaltungsaufwand aufgefressen. „Da ist es besser, wenn wir einen klaren Schnitt machen.“

Ob sich der Exodus der Besserverdienenden aus sozial schwachen Stadtteilen mit dem Verzicht auf die Abgabe verhindern lässt, ist allerdings strittig. Für CDU-Baupolitiker Schulte ist die Sache klar: „Wenn Familien ihr Einkommen steigern, wird eine Sozialwohnung durch die Abgabe teurer als eine vergleichbare Wohnung in besserer Lage“, sagt er. Ähnlich argumentiert der Wohnungsmarktexperte Volker Eichener von der Bochumer Ruhr-Universität: „Die Abgabe bestraft Menschen, die sich finanziell verbessern.“

Die betroffenen Kommunen glauben jedoch nicht an eine bessere soziale Mischung in den Stadtteilen: „Es gibt bis heute keine einzige empirische Untersuchung, die diesen Befund belegt“, sagt Gesine Kort-Weiher vom Städtetag NRW. Nach Erhebungen der Mitgliedstädte liegt die Fluktuation der leistungspflichtigen Haushalte auch mit der Abgabe deutlich unterhalb der von „normalen“ Sozialmietern. Deshalb sei es unnötig, auf die Abgabe zu verzichten. Außerdem haben die Städte bereits jetzt die Möglichkeit, die Abgabe für bestimmte Siedlungen auszusetzen.

Dass sich das Land komplett vom sozialen Wohnungsbau verabschieden wolle, verneint zumindest CDU-Fraktionsvize Schulte. „Das ist eine andere Baustelle.“ Ursprünglich hatte das Land vor statt der Wohnungen, bedürftige Personen zu fördern. Der angestrebte Wechsel von der Subjekt- zur Objektförderung findet aber nicht statt. Für die Einführung des so genannten „Landeswohngeldes“ fehlten derzeit die Mittel.

„Wir begrüßen zwar, dass sich das Land vom stufenweisen Abbau verabschieden will, die Abschaffung der Ausgleichszahlungen halten wir für falsch“, sagt Horst Becker (Grüne) als Mitglied des Bauausschusses. Bereits jetzt fehle Geld für den sozialen Wohnungsbau. „Der Wohnungsmarkt ist allgemein zwar entspannt, sozial schwache Mieter hätten nach wie vor Probleme, angemessenen Wohnraum zu finden“, so Becker. Besonders die linke Rheinschiene sei betroffen. Becker verweist auf einen Vortrag, den der Kölner Immobilienmakler Günter Ott am 2. März im Bauausschuss gehalten hatte: Demnach fallen allein in Köln jährlich 2.000 Wohnungen aus der öffentlichen Förderung heraus. Gleichzeitig gebe es pro Jahr einen Bedarf an knapp 3.000 neuen Sozialwohnungen, so Ott. In anderen Städten sehe es ähnlich aus.

Der soziale Wohnungsbau alter Prägung hat ausgedient. Dass es dabei zu einer Subventionierung der Besserverdienenden kommt, ist der Landesregierung durchaus bewusst: „Wir nehmen Einzelfälle in Kauf“, sagt Bauminister Wittke. Eine differenzierte Lösung erfordere einen zu großen Verwaltungsaufwand.