Macht es wie Helmut!
UMSTEUERN Am Wochenende wollen Tausende Menschen für höhere Steuerbelastungen demonstrieren. Es gab schon mal gerechtere Zeiten – da war Helmut Kohl an der Macht
VON ANNA KUSSEROW
UND MARTIN KAUL
BERLIN taz | Die Steuerbelastung ist unfair. Das finden zumindest die 130.000 Menschen, die den Aufruf des Bündnisses „umFAIRteilen“ unterzeichnet haben. Sie verlangen, die Vermögensteuer wieder einzuführen und härter gegen Steuerbetrug vorzugehen. An diesem Samstag ruft das Bündnis in Bochum und Berlin auch zu Protesten auf. Die Organisatoren rechnen mit mehr als 10.000 Demonstranten. Mit dabei sind etwa das globalisierungkritische Netzwerk Attac, der Paritätische Gesamtverband und der Bundesverband der Migrantinnen. Aber wie ist die Steuerbelastung heute genau? Wer will was wie ändern? Und wie war das eigentlich in den Zeiten als Helmut Kohl regierte, also von 1982 bis 1998? Der Überblick:
Die Einkommensteuer
Das war Kohl: Der Staat kann am einfachsten Geld über die Einkommensteuer einnehmen. Die muss jeder in Deutschland zahlen, der über einen gewissen Jahresverdienst – den Freibetrag – kommt. Je mehr man verdient, desto höher ist der Steuersatz. Der Spitzensteuersatz lag bei Kohl von 1982 bis 1990 bei 56 Prozent ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 130.000 DM. Von jeder Mark, die eine Person darüber hinaus verdiente, musste sie mehr als die Hälfte abgeben. Den Satz hatte noch Kohls SPD-Vorgänger Helmut Schmidt eingeführt. Die Kohl-Regierung senkte dann 1990 den Satz auf 53 Prozent.
So ist es heute: Heute liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent bei einem Jahreseinkommen über 52.000 Euro. Die sogenannte Reichensteuer belastet Verdiener über 250.000 Euro mit 45 Prozent
Das wollen die Parteien: Rot und Grün sind sich im Wahlkampf einig: Starke Schultern müssen viel tragen – so viel wie unter Kohl dann aber doch nicht. SPD und Grüne wollen den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent heben. Bei der SPD soll dies für Verdiener ab einem Jahreseinkommen über100.000 Euro gelten, bei den Grünen bei 80.000 Euro. Die Linke will es wie Kohl machen. Sie will den Spitzensteuersatz von 53 Prozent ab einem Einkommen von 65.000 Euro. Die 56 Prozent, die noch in Kohls ersten beiden Amtszeiten galten, traut sich aber niemand zu nennen. CDU und FDP versuchen, ihre Vergangenheit zu vergessen: Sie wollen überhaupt keine Steuererhöhungen.
Das will das Bündnis: Attac fordert einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent ab Jahreseinkommen von über 60.000 Euro. Der katholische Arbeitnehmerverband will ab 60.000 Euro mit 50 Prozent besteuern. Die Top-Forderung stammt von der Gewerkschaft Ver.di: 53 Prozent – aber erst ab 125.000 Euro.
Die Körperschaftsteuer
Das war Kohl: Unternehmen müssen Steuern auf ihren Gewinn abführen. Eine hohe Körperschaftsteuer zu fordern, ist eine klassische linke Forderung. Als Kohl startete,musste ein Unternehmensgewinn, der wieder investiert wurde, zu 56 Prozent besteuert werden und ein ausgeschütteter Gewinn mit 36 Prozent. Wieder ein Verdienst seiner Vorgänger. Kohl kam den Unternehmen bis zum Ende seiner Amtszeit noch ein wenig entgegen: Die Sätze sanken auf 45 beziehungsweise 30 Prozent.
So ist es heute: Unternehmen müssen 15 Prozent Körperschaftsteuer zahlen, zwischen den verschiedenen Gewinnarten wird nicht mehr unterschieden. Für die massive Senkung sorgte vor allem die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder. Sie sorgte dafür, dass der Satz am Ende ihrer Regierungszeit bei 25 Prozent lag. Die Große Koalition mit Finanzminister Peer Steinbrück senkte ihn dann auf 15 Prozent.
Das wollen die Parteien: Die Linke will die Körperschaftsteuer wieder auf 25 Prozent erhöhen, also eher so wie Gerhard Schröder. Bei den anderen Parteien ist keine Rede davon.
Das will das Bündnis: Gift und Galle habe man damals gespuckt, als die Schröder-Regierung die Körperschaftsteuer minderte, sagt Professor Heinz Bontrup von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Zurück zu Kohl will die Gruppe aber nicht. 30 Prozent genügen ihr. 25 Prozent fordert Ver.di.
Die Kapitalertragsteuer
Das war Kohl: Nicht nur mit Arbeit lässt sich Geld verdienen, sondern auch mit Kapitalgeschäften. Solche Gewinne galten nicht als Teil des Einkommens, sie wurden gesondert besteuert – mit der Kapitalertragsteuer. Zu Kohls Zeiten gab es noch drei unterschiedliche Steuersätze für verschiedene Gewinne: 25 Prozent auf Aktien-, 35 auf Wertpapiergeschäfte über die Bank und 30 Prozent auf besonders lukrative Zinseinkünfte.
So ist es heute: Seit 2009 gilt die Abgeltungssteuer: 25 Prozent werden auf alle verschiedenen Kapitaleinkünfte erhoben. Diese Liberalisierung geht auf eine Entscheidung der Großen Koalition zurück. Damaliger Finanzminster: Peer Steinbrück.
Das wollen die Parteien: Heute wollen die Sozialdemokraten wieder eine höhere Steuer, nämlich 32 Prozent. Grüne und Linke hingegen wollen die Kapitalertragsteuer abschaffen. Aktiengewinne sollen unter den normalen individuellen Steuersatz fallen. Das Kalkül:Wer an Aktien verdient hat oft einen Steuersatz, der höher liegt als der momentane Satz für die Abgeltungssteuer. Die Parteien argumentieren, Arbeit dürfe nicht höher besteuert werden als Kapitaleinkünfte. CDU und FDP wollen alles beim Alten lassen. Einzig CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble bekannte kürzlich, nie ein großer Fan dieser Steuer gewesen zu sein. Er könne sich eventuell eine Abschaffung vorstellen.
Das will das Bündnis: Bei Aktiengeschäften ist sich die Bewegung fast einig. „Weg mit der Abgeltungssteuer!“ Börsenspekulationen, sagen die AktivistInnen, müssten mit der Einkommensteuer verbucht werden. Sie sagen auch: Es ist Unfug und verwerflich, wenn Arbeit höher besteuert wird als Spekulation.
Die Vermögensteuer
Das war Kohl: Die Vermögensteuer soll die betreffen, die viel haben und denen es nicht weh tut, etwas abzugeben. Vermögen heißt dabei nicht laufendes Einkommen, sondern Geld- und Sachbesitz zu einem Stichtag. Bei Kohl traf die Steuer diejenigen, die mehr als ein Vermögen im Wert von 120.000 DM besaßen. Alles darüber wurde bis 1995 mit 0,5 Prozent besteuert. Für Unternehmen galten zu der Zeit 0,6 Prozent. Doch mit der stärkeren Belastung der Unternehmen im Vergleich zu Privatpersonen sollte bald Schluss sein. Letztere mussten ab 1995 ein Prozent auf ihr Vermögen entrichten.
So ist es heute: Die Steuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben, da das Bundesverfassungsgericht sie für gesetzeswidrig erklärte. Immobilien wurden nämlich günstiger bewertet als andere Vermögensgegenstände. Unglücklich dürfte die schwarz-gelbe Regierung nicht gewesen sein über die Entscheidung. Denn eine Änderung, um die Steuer zu retten, machte sie nicht.
Das wollen die Parteien: Die Vermögensteuer erlebt ein Revival. Sie ist eines der zentralen Wahlkampfthemen. SPD, Grüne und Linke sind sich einig: Wie zu Kohls Zeiten muss sie wieder her. Nach den Wahlplänen von Grünen und Linken muss man allerdings Vermögen im Wert von mehr als einer Million Euro haben, um die Steuer zahlen zu müssen. Die Grünen sprechen zunächst von einer „einmaligen Vermögensabgabe, die sukzessiv über zehn Jahre gezahlt wird“. Der Satz soll bei 1,5 Prozent liegen. Langfristig soll eine reguläre Vermögensteuer eingeführt werden. Die Linken wollen direkt eine Vermögensteuer mit fünf Prozent ab einer Million. Die SPD will Vermögen „moderat“ besteuern, konkreter wird sie nicht. Bei CDU und FDP sieht die Sache anders aus: Sie wollen nicht zurück in die Vergangenheit.
Das will das Bündnis: Die Wiedereinführung der Steuer ist eine zentrale Forderung der Demo. Ob ein oder fünf Prozent, ob ab einer oder ab zwei Millionen, die genauen Vorstellungen unterscheiden. Der Sozial- und Wohlfahrtsverband Volkssolidarität erklärte: „Da wir keine Möglichkeiten haben, die Konsequenzen veränderter Steuersätze zu errechnen, orientieren wir uns dabei an jenen, die zum Beispiel noch in der Regierungszeit von Helmut Kohl galten.“