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Archiv-Artikel

BUNDESWEHR OHNE SPD-HALBHEITEN: JA ZUR GRUNDGESETZÄNDERUNG Politische Grenzen für Soldaten im Ausland

Verteidigungsminister Franz Josef Jung hält eine „rechtliche Klarstellung“ der Bundeswehreinsätze im Ausland für geboten und möchte deshalb das Grundgesetz geändert sehen. Für diesen Wunsch gibt es gute Gründe. Aber es besteht wenig Anlass zu der Hoffnung, dass er bald in Erfüllung geht. Die SPD hält es nämlich für überflüssig, den Verteidigungs- und Bündnisfall in der Verfassung neu zu definieren. Aus guter antimilitaristischer Tradition heraus? Ach was. Sie will sich ganz einfach nicht von einer Lebenslüge verabschieden.

Seit Jahren operiert die Bundeswehr bei den meisten ihrer Auslandseinsätze in einer rechtlichen Grauzone – um es wohlwollend zu formulieren. Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 den Einsatz deutscher Soldaten auch außerhalb des Nato-Gebiets für zulässig erklärt, allerdings nur unter bestimmten, eng gefassten Bedingungen. Dennoch muss dieser Richterspruch seither als Legitimationsgrundlage für alle möglichen Militäroperationen weltweit vom Kosovo über Kabul bis demnächst zum Kongo herhalten. Großzügiger dürfte ein Urteil kaum je ausgelegt worden sein.

Es gab in den letzten Jahren keine einflussreiche politische Kraft oder mächtige Institution, die sich im Bereich der Militärpolitik der normativen Kraft des Faktischen in den Weg stellen wollte. Deshalb können die Sozialdemokraten den saloppen Spruch des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck, Deutschland werde heute auch am Hindukusch verteidigt, wie eine umfassende politische und juristische Bestimmung der neuen Sicherheitspolitik behandeln. Das ist unseriös. Kam aber dem Bedürfnis der SPD entgegen, sich den Pelz waschen zu lassen, ohne sich nass zu machen.

Wenn das Recht nicht genau bestimmt, was erlaubt ist und was nicht, dann geht vieles. Deshalb müsste gerade denjenigen, die eine Militarisierung der Außenpolitik ablehnen, an einer Grundgesetzänderung gelegen sein. Die Diskussion darüber würde endlich präzise Definitionen erzwingen, zum Beispiel darüber, ob ein UN-Mandat für eine Militäroperation künftig zwingend vorgeschrieben sein soll oder nicht. Wäre die deutsche Beteiligung an einem Konflikt wie dem Kosovokrieg dann noch möglich? Das ist zumindest zweifelhaft.

Das Argument, jede Änderung des Grundgesetzes sei schon deshalb gefährlich, weil damit auch dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren die Tür geöffnet würde, ist ehrenwert. Zeugt aber von Realitätsverlust. Für eine solchen Verfassungszusatz gibt es nämlich bereits jetzt eine Zweidrittelmehrheit, falls der Umweg über die Sicherung der Luft- und Seewege gewählt wird. Das eine lässt sich also nicht verhindern, indem man das andere lässt.

BETTINA GAUS