Ein Parkplatz und vier Ordner

Planet Harz vor Gericht: Sieben Jahre nach dem Aus für eines der größten deutschen Tourismusprojekte soll die Norddeutsche Landesbank 145 Millionen Euro Schadensersatz zahlen

von Kai Schöneberg

Planschende in einer pyramidenähnlichen Therme, fünf Golfplätze, eine Shopping-Mall, Luxushotels und sogar eine Musicalhalle, in der ein von Giorgio Moroder komponiertes Harz-Musical namens „Hexy“ aufgeführt wird – das hatte der Münchner Projektentwickler Wilfried Hampe versprochen. Fast 250 Millionen Euro sollten in die darbende Region im Ostharz fließen. Sachsen-Anhalts damaliger Wirtschaftsminister Klaus Schucht (SPD) sprach vom „Quantensprung“, stellte über 100 Millionen Euro Fördermittel in Aussicht – und schritt zum Spatenstich in Blankenburg.

Nicht viele glaubten bereits damals an den Millionensegen, aber viele Arbeitslose hofften auf die 1.000 Jobs, die im Umfeld des „Planet Harz“ zwischen Quedlinburg und Blankenburg entstehen sollten. Tatsächlich ist alles, was heute von einem der einst größten deutschen Tourismusprojekte noch zu greifen ist, ein überdimensionierter Parkplatz in Blankenburg, einer kleinen Stadt im Ostharz.

Außerdem füllen die traurigen Überreste des Planeten noch vier Aktenordner, die die Anwälte von Hendrik Werner gestern auf den Tischen im Landgericht in Hannover stapelten. Im Prozess vor der 11. Zivilkammer ging es nicht nur um den zerplatzten Traum von den blühenden Landschaften. Werner, der Geschäftsführer der Planet-Nachfolgefirma GBS Entwicklungs- und Betriebs-GmbH, will fast sieben Jahre nach dem Aus des Projekts auch satte 145 Millionen Euro von der Norddeutschen Landesbank (Nord LB) erstreiten. Er wirft der der Großbank vor, sie habe die Finanzierung durch fehlerhafte Berechnungen von Beleihungswerten, durch eine mangelhafte Präsentation des Projekts und durch „zögerliches, hinhaltendes Verhalten“ zum Scheitern gebracht.

Angeblich habe die Nord LB fünf Konsortialbanken zur Finanzierung zusammenbringen sollen, aber ihren Vertrag nicht erfüllt. Eine Pressemitteilung aus dem Wirtschaftsministerium und ein Radiointerview im April 1999, in dem sich ein Nord LB-Vorstand über das Ende der Finanzierungspläne äußerte, sei „die öffentliche Zerschlagung des Projekts“ gewesen, sagte Werner gestern. Zudem wundert er sich heute noch, warum sich die Bank an der Finanzierung eines ähnlich großen Tourismusprojekts namens „Fleesensee“ in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt habe, beim Planet Harz aber nicht eingestiegen sei.

„Was in Fleesensee passiert, interessiert uns hier überhaupt nicht“, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Barkey – und machte Werner auch sonst wenig Hoffnungen auf einen Erfolg seiner Klage. Er sehe „sehr, sehr große Probleme in der Sache“, betonte Barkey. Werners Begehren sei in vielen Punkten „ohne Substanz“. Es sei höchst fraglich, wie der Münchner Geschäftsmann allein 140 Millionen Euro an entgangenen Gewinnen von der Bank fordern könne. Als Grundlage dafür gebe es nur eine Wirtschaftlichkeitsberechnung bis zum Jahr 2019. Amerikanische Verhältnisse bei Schadensersatzklagen gebe es hierzulande nicht, deutete der Richter an. Barkey: „Was sollen wir dazu sagen?“ Insgesamt könne er „eine Haftung des Beklagten beim gegenwärtigen Stand beim besten Willen nicht bejahen“, erklärte der Richter. Werner kündigte an, möglicherweise gegen das Urteil, das wohl Mitte Juli fällt, in Berufung zu gehen.

Von ganz neuen, „bisher für unser Land nicht erreichbare Zielgruppen als Touristen in Sachsen-Anhalt“ hatte Wirtschaftsminister Schucht seinerzeit geschwärmt. Als der Planet abstürzte, überklebte der damalige „Investor“ Hampe Schuchts Foto auf den Bauschildern mit dem Konterfei des neuen Wirtschaftsministers Matthias Gabriel (CDU). Darunter stand, dass er der eigentliche Verhinderer des Jobwunders im Harz sei – und das mitten im Kommunalwahlkampf 1999.

Auf dem einst stolzen Welfenschloss in Blankenburg, wo ein edles Hotel entstehen sollte, ist bis heute wenig passiert. Die Arbeitslosenquote in der Region liegt immer noch bei 15 bis 20 Prozent, viele Jugendliche wandern ab. Eins sei klar, sagte Geschäftsführer Werner gestern nach dem Prozess: Die „Legende“ vom „Alleinkriegsschuldigen stimmt so nicht mehr“.