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Archiv-Artikel

Beirut, Mannheim, München

THEATER München beruft Matthias Lilienthal an die Kammerspiele

Sich auf Erfolg ausruhen? Routiniert weitertreiben, was gerade gut läuft? Das ist weder die Sache von Matthias Lilienthal noch von Johan Simons. Lilienthal wurde am Montag als künftiger Intendant der Kammerspiele in München vorgestellt, ab 2015, vorgeschlagen von Hans-Georg Küppers, dem Kulturreferenten der Stadt. Bis dahin leitet Simons das Haus, das in einer Umfrage von theater heute gerade zum Theater des Jahres gewählt wurde.

Beide sind international aufgestellt: Der niederländische Regisseur Johan Simons, übrigens ein häufiger Gast am HAU in Berlin, als Lilienthal dort Programm (2003–2012) machte, hat nicht nur flämische und osteuropäische Schauspieler an die Kammerspiele geholt, sondern mit ihnen auch eine Vielfalt von Theatertraditionen. Nicht zuletzt, um in neuen Stücken zu erforschen, wie in einer globalisierten Welt das Nebeneinander von verschiedenen Sprachen und Kulturen nach dem Körper und der Seele greifen. Matthias Lilienthal, der 2014 zum zweiten Mal das Festival Theater der Welt leiten und diesmal über die Stadt Mannheim hereinbrechen lassen wird, hat die Erforschung anderer Theatersprachen schon lange auf seine Fahnen geschrieben. Er bahnte dem Anarchismus von Christoph Schlingensief den Weg auf die Bühne und dem Dokumentartheater von Rimini Protokoll; er brachte Subkultur aus Japan, Theaterszenen aus Brasilien und Argentinien ans HAU in Berlin. So gesehen scheint von Simons zu Lilienthal eine logische Linie zu führen.

Und doch ist der Vorschlag von Hans-Georg Küppers ungewöhnlich und mutig. Denn die Münchner Kammerspiele sind ein Ensembletheater mit vielfach ausgezeichneten Schauspielern. Lilienthals Arbeit lebt von der Vernetzung und dem Austausch, vom Pendeln zwischen Peripherie und Zentrum, von der Orchestrierung kleiner und großer Formate, vom Schweifen nicht zuletzt durch die Diskurse. Delegieren zu können, mit guten Kuratoren zusammenzuarbeiten, gehört zu seinen Stärken. Das mit der Struktur eines Stadttheaters mit 400 festen Mitarbeitern zusammenzubringen, kann nicht einfach sein.

Und Berlin? Die Stadt, in der Lilienthal zuerst an der Volksbühne und später im HAU viele Energien freisetzte? Die Stadt hoffte immer noch, den 2012 zunächst nach Beirut Entflohenen später doch an einem ihrer Traditionshäuser wiederzusehen. Berlin kann jetzt eine Träne verdrücken und sehnsüchtig nach München schauen.

KATRIN BETTINA MÜLLER