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Archiv-Artikel

Staat gewinnt Wette

NRW-Innenminister Wolf weist Bezirksregierungen an, gegen illegale Wettbüros vorzugehen. Landtagsopposition aus SPD und Grünen fordert schnelle Neuregelung bei Fußballwetten

VON HOLGER PAULERUND MARTIN TEIGELER

Die Buchmacher in Nordrhein-Westfalen können die letzten Einsätze annehmen – auf die Schließung ihrer Wettbüros. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) will die Bezirksregierungen anweisen, die „Ordnungsverfügungen gegen die illegale Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zügig und konsequent zu vollstrecken“. Dies sagte er gestern in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Hunderte von Wettbüros an Rhein und Ruhr stehen damit vor dem Aus. Die noch von Wolfs Amtsvorgänger Fritz Behrens (SPD) veranlasste Aussetzung der Schließungen sei damit hinfällig, so Wolf. Gerichte hätten den Länderregierungen bisher geraten, wegen der unsicheren Rechtslage nicht gegen private Wettbüros vorzugehen.

Anlass der Debatte war das Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts (taz berichtete). Das Gericht hatte das staatliche Monopol auf Oddset-Sportwetten in der vergangenen Woche bestätigt, aber eine deutlich zurückhaltendere Werbung für diese Wetten gefordert. Außerdem muss das Land, präventiv starker gegen die Spielsucht vorgehen. Andernfalls müssten private Anbieter zugelassen werden. Wie sich die schwarz-gelbe Landesregierung entscheiden wird, ist noch unklar. Die Oppositionsparteien SPD und Grüne wollen im Grundsatz an einem streng regulierten staatlichen Wettmarkt festhalten. CDU und FDP lehnten gestern mit ihrer Parlamentsmehrheit die Forderung der Grünen ab, schnell ein Landesgesetz zur Neuordnung des Sportwettensektors vorzulegen. Die NRW-Koalition will statt dessen in Abstimmung mit den anderen Ländern eine Regelung finden, die Spielsucht bekämpft und die Finanzausstattung der gemeinnützigen Organisationen sichert, die bislang von den Konzessionsabgaben der Oddset-Wette profitieren.

Die Grünen-Abgeordnete Barbara Steffens warnte auch vor den Gefahren der staatlichen Fußballwette „als Einstiegsdroge für ein junges, männliches Zielpublikum“. SPD-Redner unterstellten dem liberalen Innenminister Ingo Wolf, er unternehme aus ideologischen Gründen zu wenig für die Durchsetzung des staatlichen Monopols.

Wie schnell Bezirksregierungen und Kommunen nun damit beginnen werden, Wettbüros zu schließen, ist unklar. „Bislang liegt die schriftliche Verfügung noch nicht vor“, sagt Hans-Peter Schröder, Sprecher der Bezirksregierung Düsseldorf. Die Regierungspräsidenten der fünf NRW-Bezirke hätten sich aber auf eine einheitliche Vorgehensweise verständigt. Will heißen: In den nächsten Wochen dürfte es zu konzertierten Aktionen gegen Wettbüros kommen.

„Sollten private Wettannahmestellen behördlich geschlossen werden, werden wir unsere Mitglieder darin unterstützen, gegen solche europarechtswidrigen Maßnahmen gerichtlich vorzugehen“, heißt es in einer Mitteilung der Interessengemeinschaft freier europäischer Buchmacher. Der Verein will im Notfall Schadensersatzansprüche geltend machen, die durch EU-Recht abgesichert seien.

In der Debatte hatte auch Innenminister Wolf darüber spekuliert, ob der rechtliche Streit um die Sportwetten mit dem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter tatsächlich beendet sei. Wolf verwies auf die EU-Kommission, die Anfang der Woche gegen die Bundesrepublik Deutschland und sechs weitere EU-Staaten ein Verfahren eröffnet hatte, weil sie keinen grenzüberschreitenden Wettbewerb im Sportwetten-Geschäft zulassen.