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Archiv-Artikel

Kampf der Realitäten

RELIGION Um berechtigte und unberechtigte Kritik am Islam ging es bei einer Diskussion der Uni und Ditib

Von THA

Über das „Islambild des Westen“ diskutierten vergangenen Woche christliche und muslimische Religionswissenschaftler im Haus der Wissenschaft. Dazu eingeladen hatten die Uni Bremen und Ditib, der Dachverband der Türkisch Islamischen Union. „Differenzieren“ müsse man, sagte Serdar Günes, Islamwissenschaftler an der Uni Frankfurt, zwischen einer „Gruppe Hardliner“, die pauschalisierend und negativ „über die Eigenschaften der Muslime fabuliert“, und fundierter, sachlicher Kritik. Die sei so wichtig wie die Kritikfähigkeit der Muslime selbst. Denn: „Nicht jede Kritik ist islamophob“, so Günes, „wir neigen aber dazu, uns in die Opferrolle zu begeben und uns so jeder Kritik zu entziehen“.

Das Publikum folgte all dem aufmerksam. Vornehmlich türkischstämmige ZuhörerInnen waren ins Haus der Wissenschaft gekommen. Ob man unberechtigte Kritik auf sich sitzen lasse solle, wollten einige wissen. „Wir müssen zeigen, dass die gefühlte Realität vieler nicht mit der tatsächlichen Realität übereinstimmt“, sagte Günes, „und uns in den Diskurs stürzen“. Wie mit polarisierenden Äußerungen wie denen der Publizistin Necla Kelek umzugehen sei? „Man muss es aushalten können, von außen den Spiegel vorgehalten zu bekommen“, sagte er, „die Unterdrückung von Frauen, Ehrenmorde und Zwangsheiraten werden so lange von außen thematisiert werden, wie die Communities das nicht selbst tun“.

Die Bereitschaft dazu wachse besonders bei jüngeren Muslimen, erklärte der Bremer Religionswissenschaftler Hans-Ludwig Frese. Bei ihnen sei „ein Aufbrechen von innen heraus“ zu beobachten. Sie seien stärker an Partizipation und Dialog orientiert, hinterfragten traditionelle Familien- und Rollenbilder.

Aufgeschlossen zu bleiben – trotz „bitterer Erfahrungen“ mit der Mehrheitsgesellschaft –, darum bat der kirchenpolitische Berater des Bremer Senats, Helmut Hafner. Auch in Bremen habe man Muslime in den interreligiösen Dialog zu lange nicht einbezogen: „Erst Mitte der Neunziger haben wir erste Vertreter muslimischer Organisationen ins Rathaus eingeladen“.

Bei Fragen nach einem Staatsvertrag zur Gleichstellung des Islams mit anderen Religionsgemeinschaften allerdings hielt sich Hafner bedeckt. Den streben verschiedene muslimische Verbände in Bremen an, entsprechende Gespräche mit dem Senat laufen seit vergangenem Herbst. Der Religionswissenschaftler Frese hingegen äußerte sich eindeutig: „Ich bin klar dafür“, sagte er. Allerdings: „Die Frage ist bei diesen Themen immer, wie aufnahmefähig sich die deutsche Gesellschaft zeigt.“ THA