: Bühne ohne Moos
Er bekommt keinen Cent und setzt auf renommierte Namen aus der Film- und Fernsehbranche: Gemeinsam mit Schauspielerin Nina Petri hat Regisseur Nils Daniel Finckh die Hamburger „Theaterfabrik“ gegründet. Mit seinem Konzept will er neue Zuschauer locken
taz: Ihr Konzept beruht auf der bewussten Kombination von Film- und Theaterschauspielern auf der Bühne. Warum diese Mischung? Sind Filmgranden neuerdings besonders bühnentauglich? In „Dogville“, der Eröffnungs-Premiere der Theaterfabrik am Wochenende, war Filmstar Benno Fürmann der Thalia-Schauspielerin Judith Rosmair akustisch unterlegen.
Nils Daniel Finckh: Das mag im Einzelfall stimmen. Was aber unseren Anspruch an Authentizität und minimalistisches Spiel betrifft, sind die Filmschauspieler sehr geeignet. Vor allem aber möchten wir mit Hilfe prominenter Namen ein eher theaterfernes Publikum locken. Abgesehen davon interessiert uns natürlich der Genremix: Einerseits sollen hier Filmregisseure inszenieren, andererseits wollen wir einzelne Stücke mit Leinwänden ausstatten, um den traditionellen Guckkasten-Effekt aufzulösen. Wir wollen weg vom Pomp, und wir wollen keine erdrückenden Kulissen. Dogmen lehnen wir ab. Deshalb setzen wir bewusst auf Schauspielertheater.
In den letzten Jahren war ja eher Regietheater angesagt. Treibt Sie die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten um?
Ich weiß nicht, ob man das so klassifizieren soll. Mir geht es eher um Kommunikation und um das gemeinsame Erarbeiten der Stücke mit den Schauspielern. Das heißt nicht, dass wir uns während der Proben in demokratischem Geplänkel verlieren. Denn letztlich treffe natürlich ich die Entscheidung. Aber wir zwingen den Schauspielern kein Konzept auf, sondern lassen sie durchaus auch mal in ihre Hilflosigkeit angesichts einer Rolle oder eines Stücks fallen.
Ihr Kanon reicht von Schiller über Brecht und Walsh bis zu Schimmelpfennig. Welches ist der rote Faden?
Ich schätze gute Geschichten.
Wann ist die Geschichte denn gut?
Wenn sie mich geistig und emotional fordert. Sie darf auch mal provozieren oder sich politisch einmischen. Die Stoffe sind letztlich eher zeitlos als gegenwärtig. Und für die nächste Spielzeit werden wir wohl auch ein Motto haben. Vereinzelung und Gemeinschaft, Familienstrukturen oder Gewalt könnten Themen sein. Apropos: Eigentlich müsste man jetzt zu der heiß diskutierten Schule in Neukölln fahren und dort ein Stück inszenieren.
Wie sähe das aus?
Ich würde es aus den Fragen der Schüler entwickeln. Vielleicht sprächen zwölf Schüler in zwölf Sprachen – und jeder erzählte auf seine Art dieselbe Geschichte.
Eine pädagogische Maßnahme also zwecks Gewaltreduktion?
Auf jeden Fall.
Und in der Theaterfabrik? Welches ist dort Ihre Zielgruppe?
Junge und innerlich jung Gebliebene.
Auf die zielen auch die anderen Häuser. Warum also ein neues Theater gründen?
Ursprünglich hatten wir ja bloß einen unbespielten Ort für das Projekt „Dogville“ gesucht. Als wir ihn dann gefunden hatten, fanden wir, dass dort mehr stattfinden sollte.
Und am Schauspielhaus, wo Sie unter Tom Stromberg gearbeitet haben, ging das alles nicht?
Ich habe die Arbeit mit Stromberg sehr geschätzt, aber an großen Häusern ist man generell weniger frei. Man bekommt frustrierte Schauspieler vorgesetzt, die in der Kantine abhängen...
Und Ihre jetzigen Schauspieler, die keinen Cent bekommen, sind weniger frustriert?
Natürlich! Gerade weil sie keinen Cent bekommen! Denn wer hier mitmacht, hat nur seinen Willen und seinen Idealismus. Der kommt ausschließlich wegen des Konzepts hierher.
Apropos: Wie sieht Ihr Finanzkonzept aus?
Wir leben zurzeit vom Eintritt, aber mittelfristig brauchen wir einen privaten Sponsor, der zu uns passt. Natürlich einen Mainstream.
Und Ihr Spiel mit renommierten Namen – ist das kein Mainstream?
Doch, schon. Wir sind wohl eher eine Mischung. Ein armes reiches Theater sozusagen.
Interview: Petra Schellen