: „Ich fand mich ein bisschen wichtig“
INTEGRATION Nach 20 Jahren in Deutschland hat Serap Mordonlu aus Reinickendorf zum ersten Mal gewählt
■ 39, kam mit 19 Jahren aus der Türkei, seit vorigem Jahr hat sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Heilerziehungspflegerin aus Reinickendorf hat drei Kinder im Alter von 21, 18 und 10 Jahren.
taz: Frau Mordonlu, Sie konnten als neu eingebürgerte Deutsche zum ersten Mal wählen. Wie war das für Sie?
Serap Mordonlu: Es war ein komisches, aber auch schönes Gefühl. Ich fand mich ein bisschen wichtig, weil ich um meine Meinung gefragt wurde. Es war das erste Mal in meinem ganzen Leben, dass ich wählen konnte, denn als ich die Türkei verließ, war ich erst 19 Jahre alt.
Wie war das bisher bei Wahlen?
Die haben mich nicht so interessiert. Auch was dabei herumkam. Das war ja nicht meine Sache.
Und jetzt? Ist die neue Regierung auch Ihre Regierung, weil Sie mitgewählt haben?
Wenn meine gewählte Partei drankommt, ja. Da bin ich dann auch beteiligt. Aber ich denke, die Politiker möchten in der Regel nur ihre eigene Tasche füllen. Die Parteien setzen oft nicht um, was sie versprochen haben.
Wie haben Sie sich informiert, wen Sie wählen wollen?
Ich habe Fernsehen geguckt und mit meinen Kindern gesprochen. Die ältesten, 18 und 21 Jahre alt, hatten die Wahl auch im Unterricht in der Schule. Und mir waren vorher schon ein paar Parteien sympathisch. Ich kann ja keine nationale Partei wählen, die sagt „Ausländer raus“.
Ihre Kinder konnten also auch erstmals wählen gehen?
Ja, sogar die jüngste, zehn Jahre alt, hat in ihrem Tanzverein gewählt. Das machen sie, um die Kinder auf später vorzubereiten. Meine Tochter hatte keine Ahnung, und sie sagte mir: „Ich habe da einen türkischen Namen auf dem Zettel gesehen und den hab ich angekreuzt.“
Sollten Migranten schneller wählen dürfen?
Ja. Das wäre sehr wichtig. Wenn wir hier eine Aufenthaltserlaubnis haben und unseren Lebensort, wenn wir arbeiten und Steuern zahlen und alles machen, was die Deutschen machen, warum dürfen wir nicht wählen? Gerechtigkeit gilt auch für die, die 20 Jahre hier leben.
Aber die könnten ja auch Deutsche werden und dann dürften sie wählen.
Ja, aber das klappt manchmal nicht. Manche möchten Deutsche sein, aber sie dürfen nicht, weil sie die Sprache nicht gut genug sprechen oder zu wenig verdienen. Oder weil ihre Kinder auffällig sind. INTERVIEW: SUSANNE MEMARNIA