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Archiv-Artikel

Musikstandort Ist Hamburg besser als Berlin?

Karin von Welck, Kultursenatorin, 62: Live-Musik als Aushängeschild

„Hamburg holt auf. Natürlich ist Berlin größer, dafür ist die Vernetzung innerhalb der vielfältigen Musikszene in Hamburg umso besser: Die Clubs sind im ‚Clubkombinat‘ organisiert, ‚RockCity‘ berät junge Musikschaffende. Gemeinsam mit Musikern entwickeln wir Förderinstrumente, unter anderem für Live-Musik und Labels. Das ‚Reeperbahn Festival‘ hat sich zu einem internationalen Aushängeschild der Hamburger Musikszene entwickelt. Die Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Stadtentwicklung hat nichts mit der Musikszene zu tun und beruht auf einem Missverständnis: Die Kritiker verwechseln Stadtmarketing mit Kulturförderung. Wir wollen Künstler nicht für eine Image-Kampagne instrumentalisieren, sondern Kreative fördern. Es kursiert übrigens die verbreitete Meinung, dass viele Kreative nach einem Ausflug in die Hauptstadt nach Hamburg zurückkommen, um hier zu arbeiten und Geld zu verdienen.“

Patex, 37, DJ: Kompakt, familiär und instrumentalisiert

„Jede Stadt hat ein eigenes Potenzial. Ich würde Berlin und Hamburg ungern gegeneinander ausspielen. Räumliche Distanz oder Szene-Grenzen spielen heute durch Techniken wie das Internet eine untergeordnete Rolle. Ich lebe in Hamburg und arbeite mit Musikern aus ganz Deutschland zusammen. Was ich schätze, ist die Kompaktheit und familiäre Atmosphäre der Stadt. Was mir nicht behagt, ist das Schlagwort ‚Musikstandort‘. Die Stadt hat ein ökonomisches Interesse und instrumentalisiert Künstler, um ihr Image aufzuwerten. Sie versucht, eine kreative Szene von oben zu konstruieren. Das funktioniert nicht. In Berlin gibt es mehr Platz, aber kein Geld. Wir haben mit „School of Zuversicht“ Urbanität als Thema unserer Platte gewählt, da die Stadt unsere Lebens- und Produktionsstätte ist. Damit beziehen wir uns weder auf Hamburg, noch auf Berlin. Idiot Town existiert überall!“

David August, 19, DJ: Kein Wahrzeichen weit und breit

„Für elektronische Musik ist Berlin nach wie vor der Maßstab. Die Hauptstadt pulsiert ständig, Hamburg ist dagegen seriöser, ordentlicher. Als DJ hat man den Vorteil, dass es in Hamburg weniger Konkurrenz gibt, doch im Gegenzug auch weniger Clubs, Labels und Publikum. Berlin ist voll von jungen, kreativen Leuten, ob nun in Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauerberg. In Hamburg gibt es so etwas höchstens in der Schanze oder in Altona. Berlin verfügt neben Watergate, Bar 25 und Arena Club über das Wahrzeichen der Szene: das Berghain. Und was gibt es in Hamburg schon für ein Wahrzeichen? EGO, Pudels, Waagenbau sind da kein Vergleich. Ein weiteres Problem Hamburgs ist das Publikum. Ich meine, Techno ist eine Subkultur, zwar eine, die in Mode kommt, aber immer noch Underground. Und wenn jetzt die Leute vom Elektro zum Techno, also vom Neidclub ins EGO wandern, dann fehlt denen oftmals der Kontakt zur Musik. In Hamburg gibt es noch zu wenige Leute, die Techno richtig fetzen. Dann wippen die Leute auf dem Dancefloor von einer Seite zur anderen, wo ein Berliner Publikum komplett ausflippen würde. Vielleicht ändert sich das in ein paar Jahren, wenn sich ein paar neue Clubs gegründet haben, dann hat Hamburg durchaus Potenzial.“

Bruno Thiel, 26, Veranstalter: Raum für Subkultur

„Ich denke, man kann Berlin schlecht mit Hamburg vergleichen. An sich ist Hamburg für Bands und Musiker ein attraktives Pflaster. In der Stadt gibt es viele Studenten und junge Menschen, das spiegelt sich in der Stimmung wieder. Hamburg bedient ein sehr breites Spektrum für Konzerte und Veranstaltungen. Hamburger mögen die Vielfalt, diesen Leitfaden der Vielfalt versuchen wir in der Astra Stube zu repräsentieren. Die Ecke unter der Sternschanzenbrücke, mit ihren drei Clubs Astra Stube, Fundbureau und Waagenbau, hat dabei einen besonderen Stellenwert für die Subkultur der Stadt. Wir sind sehr gut gelaunt und verstehen es als großes Kompliment, dass dank des öffentlichen Interesses die Mietverträge für der Clubs bis 2014 verlängert werden konnten. Mit dieser Vorlaufzeit können an anderer Stelle ähnliche Strukturen wieder aufgebaut werden und Hamburg als vielfältigen Musikstandort erhalten.“

Gunther Buskies, 37, Tapete Records: Berühmte Indie-Szene

„Warum jeder Berlin als Musikhauptstadt bezeichnet, ist mir ein Rätsel. Es ist aber trotzdem wichtig, zwischen Musikfirmen und Musikschaffenden zu unterscheiden. Es gibt in Deutschland keinen Standort mit einer so hohen Dichte an Musikvertrieben aus dem Indie-Bereich wie Hamburg: Sowohl ‚Soulfood‘, als auch ‚Indigo‘, ‚Edel‘ und ‚Broken Silence‘ sitzen hier. In Berlin gibt es auch keine Indie-Labels, die so berühmt wie ‚Buback‘, ‚Grand Hotel van Cleef‘, ‚Audiolith‘ oder ‚Tapete‘ sind. Selbst was die großen Unternehmen angeht, sitzt nur noch ‚Universal‘ in der Hauptstadt. Für Musiker hat Berlin natürlich seine Reize: Die Mieten sind günstig und sie können sich ausprobieren. Hamburg hat mittlerweile erkannt, dass die Musikbranche wichtig für das Image der Stadt ist. Es gibt ab kommenden Monat endlich ein Förderprogramm für Labels, weil die wirtschaftliche Lage so schlecht ist.“